Mareograph

[302] Mareograph (Maremeter, Limnograph, Limnimeter, Flutautograph, Flutmesser), eine besondere Art registrierender Wasserstandszeiger; s.a. Pegel.

Zur Bestimmung des mittleren Meeresniveaus (s. Meeresfläche) aus fortlaufenden Wasserstandsregistrierungen ist eine große Anzahl derartiger Instrumente auf Veranlassung der Internationalen Erdmessung (s. Erde) an den europäischen, nordamerikanischen, mexikanischen, afrikanischen, australischen und asiatischen Küsten aufgestellt. Hierüber ist fortlaufend berichtet worden in den Verhandlungen der Internationalen Erdmessung. Ueber die letzten drei Berichte s. [1].

Das Prinzip der Apparate ist kurz das folgende: Ein Schwimmer, ein luftdicht verschlossenes, kreisrundes Gefäß aus Kupferblech, das gegen Formänderung durch Luftdruck, Temperatur u.s.w. geschützt und nach dem mittleren spezifischen Gewicht des Wassers balanciert ist, überträgt seine den Schwankungen des Wasserspiegels folgenden Bewegungen durch einen besonderen Mechanismus meistens in verjüngtem Maßstabe auf einen Schreibstift. Dieser zeichnet den Verlauf der Bewegungen auf eine durch ein Uhrwerk getriebene Registriertrommel. Um den Einfluß der Wellenbewegungen, der ein genaues Aufzeichnen des Wasserstandes und überhaupt ein sicheres Funktionieren des Apparats unmöglich machen würde, auszuschalten, ist das Instrument in der Regel nicht unmittelbar am Strande aufgestellt. Der Schwimmer hängt vielmehr in einem brunnenartigen Schachte, der durch einen unterirdischen Kanal mit dem Meeresboden in Verbindung steht. Der Kanal wird mit verstellbaren Diaphragmen versehen und erhält solche Dimensionen, daß die Bewegung des Wassers nicht verzögert wird und daß die Wellenbewegungen eine Hörende Wirkung nicht ausüben können. Die Beziehung zwischen den Aufzeichnungen des Schreibstiftes und den Wasserbewegungen wird ausgedrückt durch die Konstanten des Apparats. Diese bestimmen die Lage der auf dem Registrierbogen verzeichneten Basislinie zur Eintauchungslinie des Schwimmers und das Verhältnis der Schwimmerbewegungen zu den Ordinaten über der Basislinie. Das erwähnte Verhältnis richtet sich nach den örtlichen Flutbewegungen; es beträgt entweder 1 : 1 oder etwa 1 : 10 bis 1 : 25. Die Basis- oder Nullmarke ist gegen scharf bezeichnete Fest- und Höhenpunkte sorgfältig einnivelliert. Weiteres über die Konstruktion und die Konstantenbestimmung s. in der bei [2]–[7] angegebenen Literatur. Ein Apparat, dessen Schwimmer in größerer Entfernung vom Lande angebracht ist, ist in [8] beschrieben. – Drückt f(x) die Gleichung der registrierten Flutkurve für das Zeitintervall t2 – t1 aus, so ist für dieses Intervall die Mittelwasserhöhe


Mareograph

Um die Mittelwasserhöhe für ein bestimmtes Zeitintervall zu erlangen, muß dementsprechend der Profilinhalt planimetrisch ermittelt und durch das Intervall dividiert werden. Da diese Bestimmung infolge der Häufung des Beobachtungsmaterials eine sehr zeitraubende ist, werden die Registrierapparate mit selbsttätigen Integrierwerken versehen. Bei einem Apparat von Reitz ist eine rotierende Scheibe mit Integrierrolle zur Verwendung gekommen, so daß das Mittelwasser für ein bestimmtes Zeitintervall unmittelbar berechnet wird nach hm = C (a2a1) : t, worin C die Konstante des Apparates und a2 und a1 die Rollenablesungen zu Anfang und Ende des Zeitintervalls mit der Sekundenzahl t bedeuten. Nach diesem Prinzip konstruierte Apparate sind in mehreren Staaten aufgestellt worden. Ihre Leistungsfähigkeit und Genauigkeit entsprechen allen Anforderungen. Der mittlere Fehler der täglichen Mittelwasserangabe des Apparats in Cadix wird z.B. zu + 0,2 mm angegeben. Weiteres s. [9]. – Um kurzdauernde Schwankungen des Spiegels von Binnenseen, die sogenannten Seichesschwingungen, feststellen zu können, werden transportable Schwimmerapparate von großer Empfindlichkeit angewendet. Näheres s. [10].[302]

Ein andres Prinzip der Mittelwasserangabe ist bei dem selbsttätigen Universalpegel, System Seibt-Fueß, zur Anwendung gekommen [11]. Zur selbsttätigen Intergration der Wasserstandsfläche dient ein Pendelintegrierwerk, auf das die Schwimmerbewegungen durch eine Scheibe mit besonders berechnetem schneckenförmigen Umfange derart übertragen werden, daß die Aenderungen der Wasserstände proportional sind den Aenderungen in der Anzahl der zugehörigen Pendelschläge für einen bestimmten Zeitraum. Der mittlere Wasserstand für den Zeitraum wird aus der an einem Zählwerk abgelesenen Summe der zugehörigen Pendelschläge nach einer einfachen Formel bestimmt, welche die Konstanten des Apparats berücksichtigt.

Eine besondere Art von Mareograph ist das in Frankreich mehrfach angewendete, von Lallemand angegebene Medimaremeter. In einem wasserdichten, vertikal aufgestellten, an seinem unteren Ende durch eine poröse Wand geschlossenen Rohre ändert der Wasserstand sich in ähnlicher Weise wie außerhalb. Amplitude und Phase der Wasserstandsbewegungen zeigen nur eine bestimmte Reduktion, welche von der Anordnung des Apparats und den auftretenden Standänderungen abhängig ist. Die Wasserhöhe im Rohr wird unmittelbar gemessen, und das Mittelwasser wird nach einer für den Apparat gültigen Formel berechnet. Weiteres s. [12].

Von Seibt-Fueß ist ferner ein selbsttätiger Druckluftpegel konstruiert worden. Die Wasserstandsänderungen werden durch die in einer engen Luftleitung entstehenden Druckänderungen auf ein Manometer übertragen und von diesem registriert [13]. – Auf Druckänderungen in Luftleitungen durch Wasserstandsänderungen beruht auch die Konstruktion von Differentialmanometern als Hochseepegel. Näheres s. [14].

Tragbare Quecksilbergezeitenmesser und Gezeitenmanometer sind in neuerer Zeit bei japanischen Seeforschungen angewendet worden. Der Quecksilbergezeitenmesser besteht aus einem Saugrohr, dessen oberer Teil etwa die Form eines liegenden, niedrigen, breiten S (~) hat. Das Rohr ist in der unteren Biegung dieser Form mit Quecksilber abgeschlossen, im übrigen aber mit Seewasser gefüllt. Wird das unterste Rohrende in den Meeresspiegel eingetaucht, so teilen die Wasserbewegungen sich dem Quecksilber mit und werden durch einen Stab mit Schreibstift, der in das obere Rohrende eingesetzt ist, auf eine Registriertrommel übertragen. – Das Gezeitenmanometer ist ein Druckluftpegel. Die Druckänderungen übertragen sich in ähnlicher Weise wie bei dem ebenbeschriebenen Apparat auf eine Quecksilberfüllung und von dieser auf die Registriertrommel. Weiteres s. [15]. Vgl. a. Pegel.


Literatur: [1] Verhandl. der Internationalen Erdmessung in Stuttgart 1898, Beilage A, V; in Paris 1900, Beilage B, VIII; in Kopenhagen 1903, Beilage B, XVI. – [2] Publ. des Geod. Instituts: Das Mittelwasser der Ostsee bei Swinemünde, Berlin 1881; desgl. 1890; desgl. bei Travemünde, Marienleuchte, Wismar, Warnemünde, Arkona und Swinemünde, Berlin 1900. – [3] Zeitschr. für Instrumentenkunde 1887, S. 7, Seibt, Der selbstregistrierende Pegel zu Travemünde. – [4] Verhandl. der perman. Kommission der europäischen Gradmessung in Brüssel 1876, S. 60, Der Mareograph von Rysselberghe. – [5] Verhandl. der europäischen Gradmessung in Rom 1883, S. 64 u. 233 (franz. Mareographen). – [6] Zeitschr. für Instrumentenkunde 1887, S. 243, Asmus, Der selbstregistrierende Flutmesser von Fueß. – [7] Mitteil. des k. und k. Militärgeographischen Instituts, Wien 1903, S. 121, v. Sterneck, Der neue Flutmesser in Ragusa. – [8] Zeitschr. für Instrumentenkunde 1884, S. 95, Ueber einen elektrisch registrierenden Flutmesser von Siemens & Halske. – [9] Reitz, Wasserstandszeiger für mittlere Höhe, Hamburg 1873; Ders., Regulierender Flutmesser, Hamburg 1884; vgl. a. Zeitschr. für Instrumentenkunde 1885, S. 165, und Bericht über die wissenschaftlichen Apparate auf der Londoner Ausstellung, Braunschweig 1878, S. 559. – [10] Zeitschr. für Instrumentenkunde 1901, S. 193, Ebert, Sarasins neues selbstregistrierendes Limnimeter; 1903, S. 345, Ders., Ueber neuere japanische Seenforschungen; 1904, S. 180, Endrös, Seichesforschungen am Chiemsee. – [11] Seibt, Der selbsttätige Universalpegel zu Swinemünde, System Seibt-Fueß, Berlin 1891, oder Zentralblatt der Bauverwaltung 1891, S. 410, oder Zeitschr. für Instrumentenkunde 1891, S. 351; Ders., Der kurvenzeichnende Kontrollpegel, System Seibt-Fueß, Zentralblatt der Bauverwaltung 1893, S. 542, oder Zeitschr. für Instrumentenkunde 1894, S. 41; vgl. ebend. 1895, S. 193. – [12] Verhandl. der Intern. Erdmessung in Nizza 1887, Beilage 5. – [13] Seibt, Der selbsttätige Druckluftpegel, System Seibt-Fueß, Berlin 1887; vgl. hierzu Zentralblatt der Bauverwaltung 1896, S. 202. – [14] Zeitschr. für Instrumentenkunde 1903, S. 334, Mensing, Der Hochseepegel; auch 1906, S. 312. – [15] Ebend. 1903, S. 346; 1905, S. 285, Ebert, Der Gezeitenrektifikator von Terada; 1906, S. 90, Ders., Ein tragbares Gezeitenmanometer von Honda.

(† Reinhertz) Hillmer.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 302-303.
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302 | 303
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