Mittelpunkt der Kräfte

[446] Mittelpunkt der Kräfte. Ein ebenes Kräftesystem, angreifend an einem unveränderlichen Punktsystem, ist im allgemeinen durch eine Einzelkraft ersetzbar, die längs der Zentralachse des Systems wirkt (s. Zentralachse). Dreht man das Punktsystem um einen Punkt der Ebene, während die Kräfte sich geometrisch gleich bleiben und an denselben Punkten angreifen, so daß sie sich parallel und von gleicher Intensität bleiben, so geht die ihnen äquivalente Einzelkraft fortwährend durch einen bestimmten Punkt der Ebene. Dieser Punkt heißt der Mittelpunkt der Kräfte.

Statt das System zu drehen, kann man auch alle Kräfte um ihre Angriffspunkte um denselben Winkel in umgekehrtem Sinne drehen. Sind P die Kräfte, x, y die Koordinaten ihrer Angriffspunkte, X, Y ihre Komponenten in bezug auf ein beliebiges rechtwinkliges Koordinatensystem, so ist die Wirkungslinie der resultierenden Zentralachse durch die Gleichung Bx1Ay1N = 0 bestimmt, wobei A = ΣX, B = ΣY, N = Σ(x Yy X). Dreht man nun das System um den Koordinatenursprung um den Winkel φ, so gehen die Koordinaten x, y über in x cos φy sin φ und x sin φ + y cos φ, und die Gleichung der Zentralachse nach sin φ und cos φ geordnet lautet: (B x1Ay1N) cos φ – (By1 + Ax1Σ [x X + y Y]) cos φ = 0. Ein Punkt x1, y1, der dieser Gleichung unabhängig vom Winkel φ genügt, durch den also die Resultierende für alle Lagen des Systems hindurchgeht, hat daher die beiden Bedingungen zu erfüllen: Bx1Ay1N = 0, Ax1 + By1Σ(x X + y Y) = 0. Seine Koordinaten sind daher, wenn R2 = A2 + B2 gesetzt wird, gegeben durch die Gleichungen: R2x1 = A Σ (x X + y X) + B N, R2 y1 = B Σ (x X + y Y)A N. Die Lehre vom Mittelpunkt der Kräfte gehört vorzugsweise der Astatik (s.d.) an. Dortselbst ist gezeigt, daß räumliche Kräftesysteme im allgemeinen einen Mittelpunkt nicht besitzen, und es sind für den Fall seiner Existenz die Koordinaten desselben angegeben. Parallelkräfte besitzen stets einen Mittelpunkt (s. Parallelkräfte); sind dieselben der Masse der Angriffspunkte proportional, so fällt derselbe mit dem Massenmittelpunkt des Systems zusammen. Einen speziellen Fall dieser Art bilden die Schwerkräfte mit ihrem Mittelpunkt, dem Schwerpunkt.

(Schell) Finsterwalder.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 446.
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