Polarlicht [2]

[515] Polarlicht. Die von der Sonne entsandten Kathodenstrahlen werden im magnetischen Erdfelde zu Zonen größter Häufigkeit, die die magnetischen Pole der Erde in etwa 30° Winkelabstand umgeben (rechnerisch nachgewiesen durch Störmer), zusammengedrängt in bezug auf die magnetische Breite und zugleich, da sie Teilchen verschiedener Geschwindigkeit enthalten, durch die Kraftlinien der Erde im magnetischen Spektrum entfaltet, in bezug auf die magnetische Länge.

Die langsamsten Kathodenteilchen werden am stärksten, die raschesten am wenigsten abgelenkt. Infolge der Bremsung beim Aufprall auf die Atmosphäre der Erde gerät das von den Teilchen getroffene Gas ins Leuchten. Dieses Leuchten heißt Polarlicht.

Die Hauptlinie im Spektrum des Polarlichts, die grüne Linie (557 μμ), die > 90% der Gesamthelligkeit ausmacht, ist durch Stark (Phys. Zeitschr. 1917) als eine bisher unbekannte Stickstofflinie bei besonderer elektrischer Entladungsform gefunden. Photogrammetrische Höhenmessungen (Birkeland, Störmer, Kurt Wegener und Robitzsch) zeigten, daß das Polarlicht im wesentlichen in der theoretisch errechneten Wasserstoffhülle der Erde (70–250 km Höhe) leuchtet.[515] Das Spektrum zeigt daher stets auch Linien des Wasserstoffs. Nur ein Teil der Strahlen dringt bis in die Stickstoffhülle der Erde ein. Steil, ungefähr in der Richtung der magnetischen Kraftlinien einfallende, also stark abgelenkte, langsame Teilchen bilden Draperien und Einzelstrahlen, die bei etwa 250 km Höhe zu leuchten beginnen und bis rund 70 km hinabstoßen; diese sind veränderlich und räumlich beschränkt. Stoßen sie rings um den Beobachter herab, so erscheinen sie als »Krone«. Flach einfallende Strahlen, die hohe Geschwindigkeit besitzen, bilden »Bänder« von 20 km Breite, 50 km Dicke und oft mehr als 2000 km Länge. Sie liegen in der Richtung der magnetischen Breitengrade in der maximalen Zone. Die Kathodenstrahlen sind allgemein die Ursache magnetischer Störungen. Nur ein Teil von ihnen gelangt als Polarlicht zur Beobachtung; nämlich nur die, die auf beschattete Teile der Erde abgelenkt werden und in die Atmosphäre der Erde überhaupt hineingelangen. Das Aufleuchten des Polarlichts in der Dunkelheit und der Kontrast zu dieser führt zu Farbentäuschungen des Auges.


Literatur: Paulsen, Observ. Intern. Polaires 1882–1883, Exped. Danoise Aurores boréales, Copenhague 1891; sur les récentes théories de l'aurore polaire, Bull, de l'académie R. de sciences de Danemark 1906, Nr. 2. Erste Photographie: Brendel und Baschin, Met. Zeitschr. 1900, S. 278. – Birkeland und Störmer, Experimentelle Darstellung und theoretische Berechnung; Bahnberechnung von Kathodenstrahlen. – Störmer und Birkeland jr., Bericht über eine Expedition nach Bossekop zwecks photograph. Aufnahmen und Höhenmessungen von Nordlichtern, Videnskaps selskapets. Skrifter I. Mat. Naturw. Klasse 1911, Nr. 17; Messungen mit 4-km-Basis. – Kurt Wegener, Das Polarlicht in Spitzbergen nach photogrammetrischen Messungen 1912/13, Schriften der wissensch. Gesellschaft in Straßburg, 21. Heft, Straßburg 1914; Messungen mit 7-km-Basis. – Fast zur gleichen Zeit maß Störmer und Birkeland jr. auf einer zweiten Expedition nach Bossekop (Finnmarken) erneut, nun mit 271/2-km-Basis, Polarlichthöhen und maß 2500 Punkte aus. Er fand für die untere Grenze zwei Maxima, eines bei 101–103 und eins bei 105–108 km. Später: L. Vegard u. O. Krogners, Resultate von Nordlichtbeobachtungen am Halde-Observat. C.R. 163, S. 442–446, 1916, 415 parallakt. Aufnahmen. Unteres Ende zeigt zwei Maxima bei 100 und 106 km. Oberes Ende lag bei diffusen Bögen bei 145 km Höhe, Draperien 175 km und Strahlen 240 km.

Kurt Wegener.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 515-516.
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