Spüleinrichtungen

[229] Spüleinrichtungen für Kanäle bezwecken deren Reinigung durch die Spülwirkung des Wassers. Es wird durch diese Einrichtungen der Aufstau des Wassers in den Kanälen, die Zuführung und Vermehrung der Spülwassermenge sowie die Aufspeicherung besonderen Spülwassers bewirkt.

Der zur Erzeugung eines kräftigen Spülstromes erforderliche Aufstau des Kanalwassers wird bei den kleineren Kanälen durch Spülschieber bewirkt, welche in den Spülschächten vor der zu reinigenden Kanalstrecke angebracht sind. Diese Schieber bestehen aus Eisenblechtafeln,[229] die in eisernen Rahmen geführt und beim Schließen durch Keilflächen fest an das abzuschließende Kanalprofil angedrückt werden. – Die Stauhöhe wird in der Regel durch ein nach dem abgehenden Kanal führendes Ueberlaufrohr festgelegt. Sie beträgt gewöhnlich 1 bis 11/2 m. Anstatt der Schieber werden vielfach auch Verschlußklappen und Verschlußstopfen verwendet. Letztere sind zweckmäßig, wenn die Schächte mit Leitungswasser gefüllt werden, wobei alle in den Schacht mündenden Kanalöffnungen geschlossen sind und so das Spülwasser möglichst wirksam ausgenutzt wird; vgl. [1].

Zur Spülung größerer Kanäle dienen die Spültüren. Dieselben sind um eine seitliche Vertikalachse drehbar und gestatten durch einen lösbaren Riegel oder durch eine Sperrstange das Kanalprofil so abzuschließen, daß das Wasser auf eine bestimmte Höhe angestaut wird. Durch Oeffnen der Tür wird der erforderliche Spülstrom für die unterhalb der Spültür liegende Kanalstrecke erzeugt. Die Spülung ist je nach den aufgestauten Spülwassermengen und den Gefällen der Kanäle bis auf Längen von im Mittel 150–200 m, unter günstigen Umständen selbst bis auf eine Länge von 300–400 m steigend, wirksam. Die Spültüren können bis zu Stauhöhen von etwa 0,7 m durch versetzbare Spülschieber ersetzt werden, für welche an geeigneten Stellen in den Kanälen feste Rahmen eingebaut werden. Die üblichen Konstruktionen s. [1]. Für größere Kanäle, von etwa 0,6 m Höhe an, wird auch die Anwendung beweglicher Stauschilder empfohlen, welche durch den Aufstau des Wassers selbsttätig fortbewegt werden, wobei das durch ein Gerinne überfallende, oder das durch einen nächst der Kanalsohle befindlichen Schlitz kräftig ausströmende Wasser eine gute Spülwirkung ausübt. Näheres in [1], [2] u. [7].

In ganz großen Kanälen, beispielsweise in den Pariser und Brüsseler Hauptsammlern, wird die Kanalreinigung durch Spülkähne bewirkt, von welchen eine, den Wasserquerschnitt verengende Schütze herabgelassen und dadurch der Aufstau des Wassers, die vermehrte spülende Strömung unter der Schütze und dem Kahn sowie die Fortbewegung desselben erzielt wird. (Vgl. [3], S. 284.) Nach gleichem Grundsatze wird in großen, mit Banketten versehenen Kanälen durch auf Schienen oder Saumsteinen laufende Reinigungswagen die Spülung bewirkt; vgl. [1], [5], [6], [10]. Auch durch Schwimmkugeln kann in ganz ähnlicher Weise wie durch Spülhahn und Spülschild eine wirksame Spülung hervorgebracht werden. Die schwimmende Kugel läuft dabei an der Decke des zu spülenden Kanals entlang. Dieses Verfahren findet Anwendung bei Spülung der Seine-Düker der Pariser Kanalisation [10].

Wo die Wasserspülung allein nicht genügt, die Kanäle zu reinigen, hat sich das Durchziehen von Bürsten (s. Drahtbürsten), welche der Profilform der Kanäle angepaßt sind [1], bestens bewährt. Für die Reinigung der Hauskanäle dienen neben der Wasserspülung aus eingeführten Schläuchen Bürsten, welche an einem Gestänge aus spanischem Rohr oder an Spiraldrahtseilen befestigt sind.

Für eine kräftige Spülwirkung und behufs Vermeidung zu langer Anstauzeiten beim Gebrauch von Spülschiebern und Spültüren in den Kanälen genügen die vorhandenen Kanalwassermengen in der Regel nicht; dann muß das Spülwasser besonders beschafft werden durch unmittelbare Entnahme und Verwendung des Wassers aus offenen Gewässern, durch Ansammlung solchen Wassers sowie von Regen- oder Drainagewasser oder sonstiger kleiner Wasserabläufe, wie aus Quellen und Brunnen, in besonderen Spülbehältern oder Spülgalerien, oder endlich durch Entnahme aus der öffentlichen Wasserleitung. Auch besondere Spülwasserleitungen sind zu diesem Zwecke schon hergestellt worden.

Die Einleitung in die Kanäle erfolgt hierbei durch abschließbare Spüleinlässe. Dieselben sind entweder, an die Zuführungsleitungen anschließend, wie Rohrschieber konstruiert, oder bei Entnahme größerer Spülwassermengen aus offenen Gewässern und aus den Spülbehältern als Kanalschieber ausgebildet. Von der Wasserleitung aus wird das Wasser den Kanälen entweder aus Hydranten durch Schläuche oder zweckmäßiger vermittelst besonderer Spülanschlußleitungen zugeführt (vgl. [4], S. 228). Die Ansammlung des Kanalspülwassers in größeren Spülbehältern, die an den höchsten Punkten des Entwässerungsgebietes angeordnet sind, ist sehr zweckmäßig. Man hat dadurch größere und deshalb wirksamere sekundliche Spülwassermengen zur Verfügung und kann unter guter Wasserausnutzung große Kanalgebiete – Spülbezirke – von einer Stelle aus durchspülen. Selbstredend müssen hierbei die sämtlichen Kanäle eines Spülbezirkes so miteinander in Verbindung stehen, daß vom Spülbehälter aus der Spülstrom durch entsprechende Schieberstellungen in den Kanalschächten und Kanalabzweigungen nach jeder Kanalstrecke geleitet werden kann. Sogenannte tote Kanalenden, die sich auch aus andern Gründen in einem Kanalnetz verbieten, sind also hierbei zu vermeiden. Nicht immer läßt sich dies ermöglichen. In solchen Fällen werden an den Kanalendigungen vielfach Spülschächte mit Selbstspülung angeordnet. Es sind dies Spülbehälter von 2–10 cbm und auch mehr Fassungsraum, die durch einen mäßigen Wasserzulauf innerhalb einer gewissen Zeit gefüllt werden, um alsdann selbsttätig ihren Inhalt als kräftigen Spülstrom von 10–25 Sekundenlitern innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit abzugeben. Es gibt eine größere Anzahl solcher Selbstspüler, die sich durch die verschiedenen Arten der Füllung und der Entleerung (Schwimmer, Hähne, Kippgefäße, Heber u.s.w.) voneinander unterscheiden. Vgl. [1], [3], [6], [7], [14].

Die erforderlichen Spülwassermengen für eine Kanalisation sind unter den so verschiedenen Verhältnissen außerordentlich wechselnd. Bei besonders sorgfältigem Spülbetriebe und mittleren Gefällsverhältnissen der Kanäle mag als allgemeiner Anhalt die Erfahrung gelten, daß der zum Kanalwasser nötige Spülwasserzuschuß zwischen 1000 und 2000 cbm auf das Kilometer Kanalleitung jährlich beträgt. (Näheres über Spülung s. [3] bis [12].)


Literatur: [1] Kataloge von R. Böcking & Cie., Halbergerhütte und G. Geiger, Karlsruhe i./B. – [2] Deutsche Bauzeitung, 1892, S. 620. – [3] Städtisches Straßenwesen und Straßenreinigung[230] von R. Baumeister, Berlin 1890. – [4] Büsing, Die Kanalisation, Handb. der Hygiene von Weyl, Jena 1894. – [5] Brix, Nacht und Pfuhl, Hygienischer Teil von Behrings Bekämpfung der Infektionskrankheiten, Leipzig 1894. – [6] Frühling, Entwässerung der Städte, im Handb. d. Ing.-Wiss., Bd. Wasserbau, Leipzig 1903. – [7] Wuttke, Die deutschen Städte, Bd. 2, Taf. 81, Nr. 452, Leipzig 1904. – [8] Dobel, Anlage und Bau städtischer Abzugskanäle und Hausentwässerung, Stuttgart 1903. – [9] Das städtische Tiefbauwesen in Frankfurt a. M., Frankfurt a.M. 1903. – [10] Weyl, Th., Assanierung der Städte in Einzeldarstellungen, 1. Bd.: Paris, Wien, Zürich, Köln, Leipzig 1906. – [11] Reich, A., Der städtische Tiefbau, Leipzig 1907. – [12] Weyl, Th., Die Assanierung von Düsseldorf, Leipzig 1908. – [13] Weder, R., Der Tiefbau in Städten und Ortschaften, Wiesbaden 1909. – [14] Beton-Kalender, 2. Teil, Abhandlung Städteentwässerung, Berlin 1909.

J. Brix.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 229-231.
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