Sternörter

[311] Sternörter. Die Oerter der Sterne am Himmel werden in den Sternverzeichnissen oder Katalogen (s. oben) entweder nach Länge und Breite (System der Ekliptik) oder, wie heute allgemein üblich, nach Rektaszensionen (α) und Deklinationen (δ) gegeben. Außerdem pflegt man den Positionen noch diejenigen Daten (Präzession und Eigenbewegung) hinzuzufügen, die notwendig sind, um die Orte der Gestirne von einem Aequinoktium auf ein andres zu reduzieren. Außerdem unterscheidet man zwischen mittleren und scheinbaren Orten.

Durch die Erscheinungen der Präzession und Nutation (s.d.) unterliegen die Fundamentalebenen, auf welche man die Oerter der Gestirne bezieht (s. oben), sowohl fortschreitenden als auch periodisch wiederkehrenden Veränderungen ihrer Lage. Also werden auch die Koordinaten der Gestirne in gleicher Weise veränderlich sein. Außer den Oertern der Gestirne selbst muß daher auch noch die Zeit (die Epoche) oder das Aequinoktium angegeben werden, für welches die Oerter gelten. In den Verzeichnissen sind dann immer nur die Oerter angegeben, welche für das Aequinoktium des Katalogs gelten, und zwar nur behaftet mit der Wirkung der Präzession; diese Oerter nennt man mittlere, z.B. für 1875,0 (A.G.K.). In den astronomischen Jahrbüchern pflegt man dann für eine Anzahl von Sternen (sogenannte Fundamentalsterne) auch die für die Wirkung der periodischen Aenderungen korrigierten Oerter (scheinbare Oerter) zu geben, und zwar für Sterne, die den Polen nahe stehen, für jeden Tag des Jahres, für die andern nur etwa von zehn zu zehn Tagen (Sternephemeriden). Die Wirkung der Aberration, die allgemein dem Verhältnis der Bewegungsgeschwindigkeit des Beobachtungsortes im Räume zur Lichtgeschwindigkeit Rechnung trägt, ist nur selten den in den Sternephemeriden gegebenen Oertern einverleibt, da man sie fast stets gesondert rechnet und anbringt.

Um die scheinbaren aus den mittleren Sternörtern, die für irgend eine Epoche gelten, zu erhalten, muß man die letzteren erst auf den Anfang des betreffenden Jahres durch Anfügen der Präzession und Eigenbewegung bringen und dann mittels gewisser, in den Lehrbüchern der sphärischen Astronomie gegebenen Formeln, die Korrektion ausrechnen, welche noch wegen Präzession, Nutation und Aberration für Tag und Stunde hinzugefügt werden muß. Zur Erleichterung dieser Rechnung hat Bessel in den »Tabulae Regiomontanae« bequeme Formeln und Hilfstafeln gegeben, welch letztere in jedem astronomischen Jahrbuch unter dem Namen der »Besselschen Tageszahlen« (A, B, C, D) weitergeführt werden. Die Bestimmung der Oerter der Gestirne hat natürlich den umgekehrten Weg zu verfolgen, denn der Astronom will schließlich auf Grund von Messungen aus dem direkt sichtbaren Ort eines Gestirnes dessen mittleren Ort für ein bestimmtes Aequinoktium wissen. Nur so sind dann die Resultate verschiedener Beobachtungen miteinander vergleichbar. Die Oerter der Gestirne am Himmel durch geeignete Meßmethoden und Instrumente zu bestimmen ist Aufgabe der sphärischen Astronomie.


Literatur: Ueber die Reduktion der Sternörter auf beliebige Momente und über die Methoden zu ihrer Bestimmung sind die Handbücher der sphärischen Astronomie zu vergleichen. Chauvenet, Spherical and practical Astronomy, Philadelphia; Brünnow, Sphärische Astronomie, Berlin 1881; Caspari, Cours d'Astronomie pratique u.s.w. – Wegen der Sternorte selbst muß auf die Sternkataloge (s.d.) und auf die verschiedenen Jahrbücher verwiesen werden, z.B. Berliner Astronom. Jahrbuch, Nautical Almanac, Connaissance des temps u.a.

Ambronn.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 311.
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