Terpentin

[527] Terpentin, der aus Rinde und Holz der Nadelbäume (Coniferae – Abietineae) ausfließende Balsam. Fichte, Tanne und die Kieferarten produzieren hauptsächlich in der Rinde, die Lärche im Holze die Harzkörper. Eine Gruppe derselben läßt nach längerer Berührung mit der atmosphärischen Luft die Abietinsäure auskristallisieren, wodurch diese Terpentine trübe werden und graue Sedimente bilden: gemeine Terpentine; die klarbleibenden oder nur wenig trübe werdenden heißen feine Terpentine.

Zu den gemeinen Terpentinen gehören der österreichische, deutsche, russische, französische und amerikanische Terpentin. Ersterer wird in Niederösterreich aus der Schwarzföhre, Pinus laricio Poir., der deutsche und russische zumeist aus der gemeinen Föhre (Weißföhre, Rotkiefer, Pinus silvestris L.), der französische aus der Seestrandkiefer, P. maritima Poir., gewonnen. Der amerikanische Terpentin ist sehr verschiedener Herkunft; hauptsächlich werden Pinus australis Michx. (pitch pine, s. Nutzhölzer), P. taeda L. und P. cubensis Grienb. der Harzung unterzogen. (Ueber die Gewinnung s. Wiesner, Rohstoffe u.s.w.) Gemeiner Terpentin ist halbflüssig, trübe, körnig, gelblichweiß, von unangenehm harzigem Geruch, scharfem und bitterem Geschmack. Nach einiger Zeit der Aufbewahrung scheidet er einen grauen, körnigen Satz ab (Abietinsäurekristalle), über welchen eine klare, gelbe oder gelbbräunliche, dickflüssige Masse gelagert ist. Terpentin ist das in einem ätherischen Oel (Terpentinöl, 15–30%) gelöste Koniferenharz. Ueber die daraus bereiteten Harzprodukte s. Fichtenharz.Feine Terpentine umfassen den Venezianer und Straßburger Terpentin und den Kanadabalsam. – Der Venezianer, Lärchenterpentin, Terebinthina veneta, wird aus der Lärche (Larix europaea D.C.) in Südtirol, in Piemont und in der Schweiz gewonnen. Die im ersten Frühling in den Stamm gebohrten und mit einem Holzzapfen geschlossenen Löcher füllen sich bis zum Herbste mit dem Balsam, der dann ausgenommen wird. Er ist dickflüssig, meist klar und durchsichtig oder auch etwas trübe und bildet niemals kristallinische Sedimente. Sein Geruch ist angenehm balsamisch. Straßburger Terpentin flammt aus den Harzbeulen der Tanne, ist gegenwärtig bedeutungslos. Der Kanadabalsam (Lorenzberge in der Provinz Quebec) flammt von der Balsamfichte (Pinus balsamea L., Neuschottland, Kanada) und von P. Fraseri Pursh., deren Harzbeulen mit dem blaßgelben, vollkommen klaren, durchsichtigen, sehr dickflüssigen Sekret erfüllt sind. An der Luft wird der Kanadabalsam bernsteingelb und schließlich nahezu fest. Wegen seiner Klarheit, die auch beim Erstarren nicht verloren geht, ist er ein wichtiges Kittmaterial für optische Gläser, Einschlußmittel für mikroskopische Präparate u.s.w. – Früher verstand man unter Terpentin (Chiosterpentin, Cyprischer Terpentin) nur den Balsam von Pistacia Terebinthus (Anacardiaceae).

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 527.
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