Werkkanäle

[915] Werkkanäle, Fabrikskanäle, Mühlgräben, Industriekanäle, zur Gewinnung von Wasserkraft angelegte Wasserzuleitungen.

Ist eine Arbeitsleistung von N Pferdekräften verlangt, so hat man für eine Aufschlagwassermenge von Q (in Kubikmetern pro Sekunde) bei einem Wirkungsgrade η des Wassermotors ein Nutz- oder Werksgefälle

H = 75 N : 1000 η Q.

1.


nötig (s. Fig. 1a). Die Wassermenge Q wechselt mit dem Wasserstande des Flusses. Ist das absolute Gefälle des ungestauten Wasserspiegels A M B (s. das Längenprofil) vom beabsichtigten Anfangspunkte A des Kanals bis zu dessen Einmündungspunkt B in den Fluß, nämlich der Wert e, schon kleiner als H, so ist die Herstellung eines gewissen Aufstaues s bei A durch den Einbau eines Wehres in den Fluß erforderlich. Die Wasserzufuhr zum Wassermotor erfolgt durch den Oberkanal (Aufschlaggraben) mit dem Wasserspiegel A D, die Ableitung von demselben durch den Unterkanal D' B. Diesen beiden Kanälen gibt man in der Regel ein der Durchführung der gewöhnlichen Wassermenge (G.W., s. Wasserstände) entsprechendes Sohlengefälle α0, mit welchem dann der Spiegel des Obergrabens für diesen Fall parallel geht. Die absoluten Gefälle der Wasserspiegel vom Ober- und Unterkanal seien o bezw. u und die zugehörigen Kanallängen l bezw. l'. Für den allgemeinsten Fall sei noch die allfällige Wasserspiegelabsenkung p beim Eintritt des Wassers aus dem Aufstaubassin in den Kanal berücksichtigt und dann ebenso ein Rückstau z in den Unterkanal hinauf bis zum Wassermotor, vom höheren Wasserstande Z des Flusses in B herrührend; im letzteren Falle ergibt sich ein kleineres Nutzgefälle, welches aber noch dem verlangten Werte H gleich sein muß. Aus der Figur folgt:

e + s = p + o + H + z + u.

2.


Im Mittel kann

p = 0,07v2.

3.


gesetzt werden, ist aber gleich Null zu nehmen, wenn der Kanalanfang mit einer genügend erbreiterten trichterförmigen Einmündung aus dem Flusse gestaltet wird.

Der Wert von o wechselt mit der Wasserführung im Obergraben. Ist letztere gewöhnlich (bei G.W.) = Qg, bei Niederwasser dagegen = Qn, so wird in letzterem Falle der Wert von o geringer, sofern am Wehr die Stauhöhe unverändert bleibt. Nachdem s + e in letzterem Falle konstant wird, berechnet sich bei Niederwasser ein größeres H aus Formel 2., da auch der Wert von z (bei kleinerer Wassermenge im Unterwassergraben) geringer ist. Die unveränderte Stauhöhe am Wehr wird durch Spannen des Wassers im Wasserschloß erzeugt. Man kann dann[915] zunächst annähernd die Höhe h (Fig. 2) ermitteln, indem man unter Annahme eines rechteckigen Querprofils von der Breite b voraussetzt, daß die Wasserspiegellinie im Längenprofil eine Gerade sei. In der Mitte des Kanales ist dann

der Wasserquerschnitt F = b [a + 0,5 l (α0α)],

der Profilradius r = F : [b + 2 a + l (α0α)],

die Geschwindigkeit u = Q : F = k√(r α),

woraus α = Q2 : k2 F2 r. Mit dem so gefundenen Zahlenwert von α ergibt sich sodann h = a + l (α0α) und damit:

o = l α = l α0 + ah.

4.


Ein genaueres Längenprofil ermittelt sich mit Gleichung 15a, Bd. 5, S. 152. Für α = α0 muß h = a sein, wobei die gleichmäßige Tiefe a und die gleichförmige Bewegung entsprechend der Wassermenge Qg vorhanden wäre. Für beliebige, vom Rechteck abweichende Querprofile nimmt man am besten eine Reihe von Werten für h bezw. α < α0 an, bestimmt die entsprechenden Wassermengen, stellt die Beziehung zwischen h und Q durch ein Diagramm dar und findet dann durch Abgreifen beliebige, zwischen Qg und Qn liegenden Wassermengen korrespondierende Werte von h. Das z folgt aus einer beliebigen, z.B. aus der Rühlmannschen Stauformel (s. Stauanlagen, S. 257), wenn der Wasserstand Z im Punkte B des Flusses angenommen und die Sohle des Unterkanals bestimmt ist. Der Einfluß des Rückstaues in den Unterkanal wird möglichst verringert, wenn l kurz, dafür aber l' groß genommen werden kann, was aber, der hohen Anlagekosten wegen, nur sehr seiten ausführbar ist. – Besondere Bauanlagen an einem Werkkanäle sind:

1. Die Einlaßschleuse E nahe an der Abzweigung des Kanals vom Flusse; diese dient zum Abhalten des Flußhochwassers vor dem Eindringen in den Kanal sowie zum allfälligen gänzlichen Absperren oder Trockenlegen des letzteren. Die beiden genannten Zwecke können auch durch eine in der Uferlinie angebrachte Ablaßschleuse, einen Leerfluter (s.d.), am Kanalanfange erreicht werden, welcher auch zugleich eine Spülung des letzteren ermöglicht. – Zur Abhaltung häufig wiederkehrender kleinerer Fluten dienen Streichwehre (s. Stauanlagen, S. 259).

2. Kurz vor dem Wassermotor braucht man einen Leerfluter, Leerkanal, Freifluter L. Dieser ist entweder, wie in der Fig. 1b, mit seiner Schütze in der Uferlinie angebracht, woran sich der zum Flusse ableitende, mit einer gehörigen Vertiefung in der Kanalsohle beginnende Leerlauf anschließt; oder es sind allda quer über den Oberkanal zwei oder mehrere Schützen angebracht, von denen eine oder einige Schützenöffnungen das Wasser mit Umgehung des Motors, in der Kanalrichtung, vermitteln Absturzes oder eines Leergerinnes direkt in den Unterkanal ziehen lassen können.

3. Hinsichtlich der für die Querprofile von Werkkanälen geeigneten Formen und die sonstigen Dispositionen verweilen wir auf Bd. 7, S. 326 ff. und auf [1]. Häufig erfolgt die Wasserzuführung auch in Stollen und Rohrleitungen (s.d.). Der Zufluß wird durch Absperrorgane geregelt und vollzieht sich dabei in veränderlicher Weise, worüber Theoretisches in [2] enthalten ist; in Stollen kann das Wasser auch unter Druck geleitet werden; vgl. a. die unter Wassermotoren genannten allgemeinen Werke über Turbinen.


Literatur: [1] Köhn, Th., Ausbau von Wasserkräften, S. 759 ff., Berlin 1908. – [2] Dubs, R., Allgemeine Theorie der veränderlichen Bewegung des Wassers in Leitungen, Berlin 1909.

Lueger.

Fig. 1a., Fig. 1b.
Fig. 1a., Fig. 1b.
Fig. 2.
Fig. 2.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 915-916.
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Faksimiles:
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