Bluten

[89] Bluten (Tränen) der Pflanzen, das Hervortreten von Saft aus Wundstellen, kommt dadurch zu stande, daß aus lebenden Zellen durch innere Kräfte Wasser in die angrenzenden Leitungsbahnen hineingepreßt wird und aus diesen an der Wundfläche zum Vorschein kommt. In seinem ursächlichen Zusammenhang schließt sich das B. an die Tropfenausscheidung aus unverletzten Blättern (s. Absonderung 3) und an die Absonderung einer verdauenden Flüssigkeit aus den Drüsen der »insektenfressenden« Pflanzen (s.d.) nahe an, während die Saftabsonderung der typischen Nektarien in den Blüten und außerhalb derselben, bei der die osmotische Energie gewisser außerhalb der Zellen befindlicher Stoffe eine Rolle spielt, einen wesentlich andern Vorgang repräsentiert. Die Fähigkeit des Blutens findet sich fast ganz allgemein bei Holzpflanzen, auch bei vielen krautartigen Gewächsen. Bei der Rebe und Birke wird so reichlich Saft hervorgepreßt, daß sein Volumen und der dabei wirksame Blutungsdruck durch ein an die Wundstelle angeschlossenes Manometer gemessen werden kann. Der Blutungsdruck (bei einer Birke bis 1038 mm) zeigt bei der einzelnen Pflanze regelmäßige tägliche und jährliche Schwankungen, so daß man von einer jährlichen und täglichen Blutungsperiode sprechen kann. Die Menge des ausgeschiedenen Saftes ist bei den einzelnen Pflanzenarten und -Individuen[89] sehr verschieden: eine Birke lieferte vom 21.–28. März 36 Lit., ein Weinstock 10–950 ccm am Tage, aus dem entgipfelten Blütenschaft einer Agave flossen täglich bis 7,5 L. Saft, und während der 4–5 Monate anhaltenden Blutung wurden 995 L. Saft ausgeschieden. Vgl. Wieler, Das B. (in Cohns »Beiträgen zur Biologie der Pflanzen«, Bd. 6, Bresl. 1892); Pfeffer, Pflanzenphysiologie, Bd. 1 (2. Aufl., Leipz. 1897).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 89-90.
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