Nektarĭen

[504] Nektarĭen (Honigwerkzeuge, Saft-, Honigdrüsen), diejenigen Stellen einer Blütenpflanze, an denen normalerweise eine zuckerhaltige Flüssigkeit (Nektar) ausgesondert wird, finden sich in der Regel in der Blüte oder in nächster Nähe derselben und stehen dann in deutlicher Beziehung zur Blütenbestäubung (s. d.); bisweilen kommen sie jedoch auch auf Blättern und Blattstielen, weit von den Blüten entfernt, vor. Die Blütennektarien sind im einfachsten Falle bestimmt begrenzte Stellen auf der Oberhaut der Blütenteile und bilden ein kleinzelliges, zartwandiges Gewebe, das körniges Plasma nebst Stärke, Gummiarten und Zucker zu enthalten pflegt; als Umwandlungsprodukt dieser Stoffe tritt dann der Nektar auf, der an der Oberfläche des Nektariums ausgesondert wird. N. finden sich auf verschiedenen Organen der Blüte, z. B. auf der innern Fläche der Kelchblätter (Linde), am Grunde der Blumenblätter als fleischige[504] Anschwellungen (Berberitze), auf den am Grunde verbreiterten Staubfäden (Pentastemon), auf beiden Seiten des Fruchtknotens (Caltha). Sie bilden eine kreisförmige Grube am Grunde der Perigonblätter (Kaiserkrone), eine Hohlrinne (Blütenblätter der Lilie), einen Drüsenhöcker (Kruziferen) oder Drüsenring (Nicotiana) oder ein fleischiges Polster auf dem Scheitel des Fruchtknotens (Umbelliferen). Nicht selten werden die nektarientragenden Blütenteile stark umgestaltet und dann als Honigblätter bezeichnet; bei der Nieswurz z. B. bilden die kleinen, grünlichen Blumenblätter taschenförmige, mit Honig gefüllte Behälter, bei Aquilegia stellt jedes Blumenblatt ein trichterförmiges Gefäß mit langausgezogenem Sporn dar, der in seinem verdickten Ende Nektar absondert. Beim Eisenhut (Aconitum) finden sich im Innern der Blüte zwei gestielte, hörncheuartig gebogene Körper, deren verdicktes Ende den Honig ausscheidet. Der zur Ansammlung des Nektars bestimmte Blütenteil (Safthalter, Honiggefäß) erzeugt in vielen Fällen zugleich den eigentlichen Nektar; jedoch kann auch ein andrer Blütenteil der Nektariumträger sein; bei den Veilchenarten z. B. sondern zwei von den fünf vorhandenen Staubgefäßen aus einem zwischen den Staubbeuteln befindlichen zäpfchenartigen Vorsprung den Honig ab, der sich dann in einem Hohlsporn des Blumenblattes ansammelt. Bei den Marcgraviazeen Brasiliens ist die Honigabsonderung auf Organe außerhalb der Blüte (extraflorale N.), nämlich die Deckblätter, übertragen, auf denen aus zwei Poren sehr reichlich Honig ausgesondert wird. Bisweilen sind oberhalb der honighaltenden Stelle dichte Haarbüschel oder auch taschenförmige Ausstülpungen der Blumenkrone, z. B. bei vielen Asperifolien die sogen. Schlundklappen, ausgebildet, die das Einfließen der Regentropfen in die Blumenröhre und zugleich den Zutritt von honigraubenden Insekten verhindern. Auch gegen den Besuch der honigleckenden und der normalen Bestäubung hinderlichen Ameisen treten in den Blüten, besonders im Umkreis der N., mannigfache Schutzeinrichtungen, wie Ringe oder Büschel von Haaren, Fransen, kleinen Stacheln u.a., auf; auch die Außenflächen des Kelches sowie die Umgebung der Blüten wird durch mancherlei Einrichtungen vor feindlichen Blumengästen geschützt (s. Schutzeinrichtungen der Pflanzen). In vielen Blumen sind diejenigen Stellen durch auffallende Farbenzeichnung (Saftmale) geziert, an denen das Saugorgan des Besuchers eingeführt werden muß, wenn die Bestäubung der Blüten mit Sicherheit erfolgen soll.

Die außerhalb der Blütenregion auftretenden N. (extranuptiale N., z. B. auf den Blattstipeln von Vicia-Arten, auf den Stielen der Teilblättchen von Erythrina crista galli, auf der Blattspreite von Ailanthus glandulosa und bei sehr vielen sogen. Ameisenpflanzen, s. d.) dienen wahrscheinlich zur Regulierung der Stoffwanderung in der Pflanze bei wechselnden Verdunstungsbedingungen; außerdem nimmt man an, daß sie als indirekte Schutzmittel gegen Raupen und andre pflanzenfeindliche Insekten zu betrachten sind, indem durch die Honigabsonderung Wespen und Ameisen angelockt werden, welche die Pflanzenfeinde angreifen und verjagen. Vgl. Kerner, Die Schutzmittel der Blüten gegen unberufene Gäste (2. Aufl., Innsbr. 1879); Behrens, Die N. der Blüten (»Flora«, 1879); Stadler, Beiträge zur Kenntnis der N. (Berl. 1886).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 504-505.
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