Diana [1]

[868] Diana, altitalische Göttin des Lichtes, der freien Natur mit ihren Bergen, Wäldern, Quellen und Bächen und der Geburt (in letzterer Eigenschaft führte sie wie Juno den Namen Lucina), also der griechischen Artemis (s.d.) verwandt und daher mit dieser sowie mit der ihr verglichenen Hekate (s.d.) im Laufe der Zeit vollständig verschmolzen. Ihr berühmtestes Heiligtum befand sich bei Aricia in einem Hain (nemus, daher sie schlechthin Nemorensis bezeichnet wurde) bei dem heutigen See von Nemi, dem sogen. »Spiegel der D.« Hier wurde neben ihr ein männlicher Dämon, Virbius (s.d.), verehrt, den man später für den wiederbelebten Liebling der Artemis, Hippolytos, hielt. Der Oberpriester (Rex nemorensis) war immer ein entlaufener Sklave, der seinen Vorgänger im Zweikampf mit dem Ast eines bestimmten Baumes erschlagen haben mußte. Wegen dieses blutigen Brauches verglichen die Griechen die D. Aricina mit der taurischen Artemis, deren Bild Orestes dorthin gebracht habe. Sie wurde vorzugsweise von Frauen verehrt, die zu ihr um glückliche Geburt und eheliches Glück zu beten pflegten. In Rom war ihr angesehenster Tempel der auf dem Aventin von Servius Tullius als Bundesheiligtum der Latiner angelegte. Diese D. wurde völlig mit der Schwester des Apollon gleichgesetzt und bei den Säkularspielen 17 v. Chr. ganz als Artemis verehrt. Ein Rest des alten Unterschieds erhielt sich darin, daß man ihr Kühe opferte und ihren Tempel mit Rinderhörnern, nicht mit Hirschgeweihen schmückte, während Artemis die Hirschkuh heilig war. Außerdem war in Italien besonders der Tempel der D. am Berg Tifata berühmt; auf seinen Trümmern steht die Kirche Sant' Angelo in Formis bei Capua. Durch ihre Gleichsetzung mit Hekate wurde sie im Volksglauben auch zur Zaubergöttin. Als solcher wurde ihr noch in christlichen Zeiten bei Nacht auf Kreuzwegen und in Höhlen von Priestern und Frauen geopfert, und man glaubte, daß die Zauberweiber mit der Göttin auf wilden Tieren durch die Luft ritten. Über die bildlichen Darstellungen der D. s. Artemis.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 868.
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