Fazy

[366] Fazy (spr. -si), James, schweizer. Staatsmann und Publizist, geb. 12. Mai 1794 in Genf, gest. 5. Nov. 1878, erhielt seine Erziehung in Neuwied und bei Paris, widmete sich anfänglich dem Handelsfach, dann seit 1814 in Paris dem Studium der Rechtswissenschaft und Nationalökonomie, trat in Beziehungen zu Lafayette und andern Häuptern der liberalen Opposition und nahm als Journalist und Mitglied geheimer Gesellschaften tätigen Anteil am Kampf derselben gegen die Restaurationsregierung. 1826 gründete er in Genf das »Journal de Genève«, begab sich aber 1827 wieder nach Paris und unterzeichnete 26. Juli 1830 den Protest der französischen Journalisten gegen die Juli-Ordonnanzen. Mißvergnügt über den Ausgang der Julirevolution, bekämpfte er auch die neue Regierung und kehrte, nachdem er mehrere Verfolgungen wegen Preßvergehen erlitten, 1833 in seine Vaterstadt zurück. Hier ließ er sich mit Ludwig Napoleon ein und beteiligte sich 1836 an den Vorbereitungen zum Straßburger Attentat, stand bei der Genfer Revisionsbewegung von 1841 als Agitator in erster Linie und gründete, als dieselbe das konservative Regiment nicht beseitigte, die radikale »Revue de Genève«, in der er die kantonale und eidgenössische Politik der Behörden leidenschaftlich bekämpfte. 1846 gab ein Verhaftbefehl gegen F. das Signal zu dem Aufstand vom 6.–8. Oktober. Er trat an die Spitze der provisorischen und hernach der neukonstituierten Regierung und verfocht als Gesandter Genfs an der Tagsatzung 1847/48 mit Erfolg die Einführung des amerikanischen Zweikammersystems in die neue schweizerische Bundesverfassung. Von 1846 an, nur mit Unterbrechung der Wahlperiode von 1853–55, das Haupt der Genfer Regierung, hat er mächtig dazu beigetragen, durch Schleifung der Festungswerke, Erbauung von Kais, Brücken und öffentlichen Gebäuden, Gründung von Banken, Unterstützung von Eisenbahnen etc. das altcalvinische Genf in eine moderne kosmopolitische Stadt umzuwandeln; aber sein keineswegs makelloses Privatleben sowie sein diktatorisches Walten erregten Mißvergnügen, so daß er 1861 und 1863 nicht mehr in den Staatsrat gewählt wurde. Nachdem im August 1864 seine erneuerte Kandidatur zu blutigen Wirren und einer vorübergehenden eidgenössischen Besetzung Genfs geführt hatte, war sein Einfluß gebrochen. Außer seinen Zeitungen und zahlreichen politischen und nationalökonomischen Broschüren schrieb er eine Tragödie: »La mort de Lévrier« (Genf 1826); einen »Précis de l'histoire de Genève« (1838–40, 2 Bde.) und einen »Cours de législation constitutionnelle« (1874). Vgl. Henry Fazy, James F., sa vie et son œuvre (Genf 1887).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 366.
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