Fischbein

[602] Fischbein, mehr oder weniger sichelförmig gekrümmte hornartige Platten, die mit ihren breiten Flächen aneinander liegen und zu je 250–300 an jeder Seite des Rachens der Walfische am Oberkiefer und Gaumenknochen sitzen. Diese Barten zerfasern sich an ihrem freien Rand zu roßhaarähnlichen Längsfasern, die rings um den Rand des Oberkiefers aus dem Rachen heraustreten und eine Art Bart bilden. Die größten, in der Mitte des Gaumens liegenden Barten sind 3–4, selbst 5 m lang, am Anheftungspunkt 9–10 cm dick und 30–35 cm breit; ihr Gesamtgewicht erreicht bisweilen 1500 kg. Die Barten sind bei alten Walfischen schwarz, bei jüngern bläulich. Sie werden aus dem Rachen des getöteten Tieres herausgenommen, gereinigt, in Blätter zerteilt, getrocknet, mit der Säge in möglichst lange Stücke zerschnitten, dann bis zum Erweichen mit Wasser gekocht und mit einem Hobel oder Messer in Stäbe von gewünschter Dicke zerspalten, die man schließlich trocknet, schabt und poliert (Fischbeinreißen). F. dient zu Schirmstangen, Stöcken, Peitschen, Schnürleibern, zum Einlegen in Damenhüte etc., sehr dünn zerspalten zu Flechtwaren, künstlichen Blumen etc. In Dampf oder heißem Sand erweicht, läßt es sich in Formen pressen und dient zur Herstellung von Stockknöpfen, Dosen u. dgl. Man poliert F. mit Bimssteinpulver, Wasser und Filz und reibt es zuletzt mit gebranntem und an der Luft zerfallenem Kalk ab. Fischbeinabfälle dienen als Polstermaterial. Als Surrogate benutzt man aus Buen os Aires-Hörnern geschnittene Stäbe (indianisches F., gepreßtes Horn, Hornfischbein), die härtesten Truthahnfederkiele, vulkanisierten Kautschuk, Preßrohr (zerschnittenes, schwarz gefärbtes und gepreßtes Spanisches Rohr), Wallosin (geschältes, gefärbtes und mit einer Lösung von Kautschuk, Guttapercha und Schwefel getränktes, dann unter Druck erhitztes und gewalztes Spanisches Rohr), Koralin (ein Geflecht oder ein Seil aus Agavefaser) und andre mehr oder weniger ähnliche Fabrikate. Fischbeinleder wird aus trockner Haut dargestellt, die man bei 70° mit Wasserdämpfen behandelt, wobei sie durch beginnende Leimbildung hornartig wird und dann mit Terpentin tränkt und lackiert.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 602.
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