Geißelung

[496] Geißelung war bei den Alten sehr gewöhnliche, äußerst schmerzhafte Leibesstrafe, die mit einer Riemen- oder Strickpeitsche oder mit Ruten vollzogen wurde. Die spätere jüdische Gerichtspraxis bediente sich dabei geflochtener Riemen (Geißeln) und ließ dem Verbrecher durch den Gerichtsdiener die Streiche, und zwar als Maximum 39, aufzählen, letzteres, um nicht durch Verzählen wider das Gesetz zu verstoßen, das hierbei die Zahl 40 zu überschreiten verbot. Auch in den Synagogen wurden Geißelungen vollzogen (vgl. Matth. 10,17; 23,34). Die römische Geißel (flagellum) bestand aus ledernen Riemen oder gedrehten Stricken, die an einem Stiel befestigt und an den Enden bisweilen mit Stückchen Blei oder Eisen versehen waren. Die peinliche Untersuchung gegen Verbrecher geringern Standes nahm gewöhnlich mit der G. (flagellatio) ihren Anfang. An römischen Bürgern aber durfte dieselbe nicht vollzogen werden, weil sie für entehrend galt; daher widerfuhr sie meist nur Sklaven. Auch der Kreuzesstrafe pflegte die G. vorherzugehen. Bei den Christen kam die G. zunächst als kirchliche Strafe in den Klöstern auf, wurde aber als Nachahmung der G., die Christus und die Apostel erlitten hatten, sowie in Verbindung mit dem Wahn der eignen Genugtuung für die Sünde als freiwillige Buße auch außerhalb des Klosters empfohlen. Seit der Kirchenversammlung zu Konstanz erkaltete allmählich die Luft an der Geißelbuße; doch erhielt sie sich bei den französischen Franziskanern (Cordeliers) und in Deutschland, namentlich in Thüringen, bis[496] zur Reformation hin. Im Mittelalter artete dieser asketische Eifer in eine an Wahnsinn grenzende Schwärmerei aus (s. Flagellanten). Vgl. Prügelstrafe.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 496-497.
Lizenz:
Faksimiles:
496 | 497
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika