Gesichtslähmung

[733] Gesichtslähmung (Fazialislähmung, schiefes Gesicht), Lähmung des Gesichtsnervs (nervus facialis), durch die das Gesicht sehr auffallend entstellt wird. Da dem Gesichtsnerv während seines Verlaufes im Felsenbein Fasern des Gehör- und Geschmacksnervs (chorda tympani) beigemischt sind, die den Nervenstamm auf ganz bestimmte Strecken begleiten, so sind auch die Lähmungen des Hauptstammes sehr häufig von Störungen im Gebiet jener andern Nerven begleitet. Die reine G. ist charakterisiert durch einseitige Lähmung der mimischen Gesichtsmuskeln; die betroffene Gesichtshälfte ist schlaff, ausdruckslos, die Falten verstrichen, das Auge abnorm weit geöffnet, es kann nicht geschlossen werden und tränt reichlicher als das andre, der Mundwinkel hängt herab, oft fließt der Speichel daraus ab. Beim Sprechen bewegen sich die Lippen der gelähmten Seite nicht mit, die Wange wird durch den Druck der Ausatmungsluft wie ein schlaffes Segel aufgeblasen, das Kauen ist erschwert, das Gaumensegel hängt, wenn mitbetroffen, an der gelähmten Seite tiefer herab und wird beim Anlauten nach der gesunden Seite hin verzogen. Sind die begleitenden Fasern des Gehörnervs mit betroffen, so klagen die Kranken über Gehörsstörungen, Ohrensausen, erhöhte Empfindlichkeit für tiefe Töne etc.; ist der Geschmacksnerv mit betroffen, so ist die Geschmacksempfindung gestört oder verloren, die Speichelabsonderung vermindert. Die Ursachen der G. liegen am Ursprung des Gesichtsnervs im Gehirn (zentrale G.), woselbst beim Schlaganfall durch Blutung oder bei Entzündungen durch Eiter oder bei Geschwülsten durch neugebildetes Gewebe das Zentrum des Gesichtsnervs zerstört wird, oder sie liegen im Verlauf des Gesichtsnervs (peripherische G.) und sind durch Knochenleiden, Karies des Felsenbeines oder Entzündungen bei Ohrenleiden, Quetschungen (Ohrfeigen) und Erkältungen bedingt. Für die Heilung der G. ist das elektrische Verhalten der gelähmten Gesichtsmuskeln wichtig (s. Entartungsreaktion). Schwere Formen ziehen sich im besten Falle monatelang hin, sind aber oft unheilbar. Für die Behandlung erweist sich, falls nicht eine bestimmte Ursache nachgewiesen und entfernt werden kann, die Elektrizität am wirksamsten, außerdem Massage und Strychnineinspritzungen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 733.
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