Gnome

[66] Gnome (griech., lat. Sententia), ein Spruch, in dem Ergebnisse der Lebensbeobachtung in sinnreicher Kürze ausgedrückt sind, entweder metrisch oder in Prosa abgefaßt. Die indische, arabische, persische und hebräische Literatur ist reich an solchen Sprüchen, und die Lieder-Edda hat viele treffliche Gnomen aus dem Norden aufbewahrt. Eine große Geltung hatten sie bei den Griechen. Schon bei Homer finden sich nicht selten derlei Sprüche. Die ältesten Satzungen und Gewohnheitsrechte erhielten meist die Gestalt von Sprüchen, deren metrische Fassung (gewöhnlich der Hexameter oder das Distichon) der Jugend die feste Einprägung erleichterte. Auch Sittenlehren und Lebensregeln waren in Spruchform unter dem Volk verbreitet, wie die Sprüche der Sieben Weisen. Auch eine eigentliche gnomische Dichtung, eine Gattung der elegischen, besaßen die Griechen; ihr Meister ist Theognis (s. d.; Sammlung der griechischen Gnomendichter von Gaisford, Oxf. 1814–20; neuer Abdruck, Leipz. 1823, 5 Bde.). Aus der römischen Literatur sind zu erwähnen die Sentenzen des Publilius Syrus (s. d.) und die unter dem Namen »Cato« (s. d.) gehende Spruchsammlung. Zu den Gnomen gehören auch die deutschen Priameln (s. d.) des 14. und 15. Jahrh. sowie aus der modernen Literatur die aphoristischen Offenbarungen in Rückerts »Weisheit des Brahmanen«, Schefers »Laienbrevier« und ähnliche Dichtungen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 66.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika