Haß

[863] Haß, als Gegenteil der Liebe (s. d.), die zum Affekt, bez. zur Leidenschaft gesteigerte Abneigung, die, wie alle Affekte, bei genügender Stärke auch äußerlich (in Haltung und Miene) zum Ausdruck kommt. Dem Hassenden ist der Anblick, ja oft schon der Gedanke an die Existenz des Gehaßten unerträglich, er sähe ihn am liebsten völlig vernichtet, und dieser Wunsch setzt sich bei gebotener Gelegenheit leicht in Taten um. Der höchste Grad des Hasses wird daher tödlicher H. genannt, und sehr treffend hat Darwin den Ausdruck des Hasses in Parallele gestellt mit der Haltung eines zum Angriff bereiten Tieres. Ist dabei das Gefühl des Widerwillens bis zum physischen Ekel gesteigert, so wird der H. zum Abscheu. Der H. kann sich aus einfacher, auf der Kollision oder dem Gegensatz bestimmter Interessen beruhender Gegnerschaft entwickeln, indem das Bewußtsein der Veranlassung allmählich verschwindet und nur der angeregte Affekt zurückbleibt (so enden Rechts- und andre Streitigkeiten oft in grimmigen H.), oder aus einer ursprünglichen, dem Hassenden selbst unerklärlichen Antipathie (s. d.) hervorgehen. In der letztern Form treffen wir den H. schon im Tierreich (z. B. zwischen Hunden und Katzen), ferner als Rassenhaß zwischen Menschen. Bekannt ist auch, daß verletzte Liebe bisweilen in H. umschlägt. Der Menschenhaß, der alle menschlichen Wesen als solche zum Gegenstand hat, kann, wenn er überhaupt vorkommt (Tiberius?), nicht mehr als normaler Seelenzustand, sondern nur als Äußerung eines völlig verkehrten Gefühlslebens betrachtet werden.[863]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 863-864.
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