Handelsgebrauch

[726] Handelsgebrauch (Handelsbrauch, Handelsusance, Handelsgewohnheit) bezeichnet das kaufmännische Gewohnheitsrecht, d. h. die Gesamtheit derjenigen im Handelsstande bestehenden Übungen, die der Gesetzgeber zwar nicht zu geschriebenen Rechtssätzen erhoben hat, die aber doch innerhalb des Rahmens der dem Handelsverkehr eigentümlichen Rechtsverhältnisse aus der allgemeinen Anschauung des Handelsstandes heraus erwachsen sind und von diesem in der Überzeugung zu ihrer Beobachtung rechtlich verpflichtet zu sein, in Handelssachen (s. d.) dauernd befolgt werden. Während das alte Handelsgesetzbuch da, wo keine gesetzlichen Bestimmungen vorhanden waren, in erster Linie auf die Handelsgebräuche verwies, ist dieser Hinweis im neuen Handelsgesetzbuch unterblieben. Es wird also in Zukunft partikulares Handelsgewohnheitsrecht nur da entstehen können, wo es sich um Materien handelt, die der Handelsgesetzgebung vorbehalten sind, wohl aber wird die Entstehung eines Reichshandelsgewohnheitsrechts möglich sein. Außerdem bezeichnet man mit H. auch den sogen. Geschäftsgebrauch, d. h. die im Handelsverkehr an bestimmten Orten herrschenden Gewohnheiten und Gebräuche (§ 346 des Handelsgesetzbuches). Hierunter ist nicht etwa partikulares Gewohnheitsrecht zu verstehen, sondern die innerhalb enger Grenze üblichen Gebräuche bei Abschluß eines Handelsgeschäfts. Auf sie hat der Richter bei Auslegung der Verträge unter Kaufleuten Rücksicht zu nehmen, sie werden am Ort ihrer Geltung bei Geschäften unter Kaufleuten vorausgesetzt, falls nicht der eine nachweist, daß sie im einzelnen Fall ausdrücklich ausgeschlossen worden sind. Die wichtigsten dieser Geschäftsgebräuche in Handelssachen sind die Gebräuche an der Börse, die sogen. Börsenusancen. Vgl. Riesenfeld, Breslauer Handelsgebräuche (Bresl. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 726.
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