Monroedoktrin

[82] Monroedoktrin, auf den amerikanischen Unionspräsidenten James Monroe (s. d.) zurückführend, ist der Name zweier, neuerdings dreier, auch heute noch von der nordamerikanischen Regierung vertretenen Sätze der Politik der Vereinigten Staaten. 1) Bedeutet die M.: die europäischen Mächte haben auf dem amerikanischen Kontinent kein Recht der Intervention, ebenso, wie sich die Vereinigten Staaten einer Intervention in europäischen Angelegenheiten enthalten. 2) Europäischen Mächten ist der Erwerb amerikanischen Gebietes, sei es im Wege der Okkupation, sei es im Wege des Vertrages, verboten (»Amerika den Amerikanern«). Diese beiden Sätze sprach Monroe bereits in seiner Botschaft vom 2. Dez. 1823 aus. Dazu fügte die Union seitdem: 3) die Union hat eine Schutzherrschaft über die mittel- und südamerikanischen Staaten (Amerika den Vereinigten Staaten). Die europäischen Mächte haben zwar der M. in ihrem vollen Umfange, die amerikanischen Staaten dem oben angegebenen dritten Satze widersprochen, nichtsdestoweniger hat sie gerade von seiten der Großmächte in dem letzten Jahrzehnt eine mehr oder weniger offene Anerkennung gefunden. So hat England anläßlich seiner Grenzstreitigkeiten mit Venezuela die anfangs von ihm schroff zurückgewiesene schiedsrichterliche Tätigkeit der Vereinigten Staaten durch Vertrag vom 9. Nov. 1896 doch angenommen und hiermit ausdrücklich die M. anerkannt. In Anwendung der M. intervenierten die Vereinigten Staaten auch in den Jahren 1895 bis 1897 gelegentlich des Aufstandes auf der Insel Cuba und behielten sich in dem Hay-Pauncefote-Vertrag mit England vom Jahre 1901 das alleinige Aufsichtsrecht bezüglich des an Stelle des Panamakanals zu erbauenden Nicaraguakanals vor. Schließlich haben auf der Haager Konferenz die Vereinigten Staaten zu wiederholten Malen auf die M. hingewiesen und haben sogar in das Protokoll der Konferenz eine diesbezügliche Erklärung, die von Europa angenommen worden ist, einrücken lassen. Demgegenüber nimmt es sich recht merkwürdig aus, daß die Vereinigten Staaten bei den asiatischen Wirren sehr energisch mitsprachen, daß sie gegen die Türkei, daß sie wegen der Judenfrage gegen Rußland und Rumänien vorgingen, wo es sich doch zweifelsohne um europäische Angelegenheiten handelte. Vgl. Tucker, The Monroe Doctrine (Boston 1885, neue Ausg. 1904); Reddaway, The Monroe Doctrine (Cambr., Mass., 1898; neue Ausg. 1905); de Beaumarchais, La doctrine de Monroe (2. Aufl., Par. 1898); Pétin, Les États-Unis et la doctrine de Monroe (das. 1900); Edington, The Monroe doctrine (Washingt. 1904); Kasson, Evolution of the constitution of the United States of America and history of the Monroe doctrine (Boston 1904); Roosevelt, Der Amerikanismus (deutsch, Leipz. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 82.
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