Nierenoperationen

[681] Nierenoperationen wurden durch den verstorbenen Chirurgen Simon (Heidelberg) eingeführt. Man unterscheidet: 1) Die Nephrotomie, Einschnitt in Niere oder Nierenbecken, wird ausgeführt zur Erweiterung und schließlicher Heilung der Nieren- oder Nierenbeckenfisteln, die infolge Durchbruchs eines Eiterherdes oder eines Echinococcussackes nach außen entstanden sind, zuweilen aber auch zur Erweiterung solcher nach Nierenverletzung zurückgebliebener Fisteln, um in der Tiefe zurückgehaltene Fremdkörper (Kleiderfetzen, Geschoßteile etc.) zu entfernen. Ferner wird die Nephrotomie zur Entleerung der in den Nieren vorkommenden, Flüssigkeit enthaltenden Krankheitsherde, also bei Hydronephrose, Pyonephrose etc., angewendet. Endlich kann die Nephrotomie mit dauernder Offenhaltung des geschaffenen Weges zur Erleichterung des Kranken und Verlängerung des Lebens ausgeführt werden, wenn die Nephrektomie (s. d. unten 2) zwar angezeigt, aber wegen Fehlens oder wegen Funktionsunfähigkeit der andern gleichzeitig erkrankten Niere nicht ausführbar ist (s. auch unten 3: Nephrolithotomie). Die Nephrotomie kann entweder von hinten her mittels Lendenschnittes ausgeführt werden, oder von vorn, wobei das Bauchfell durchschnitten werden muß. – 2) Die Nephrektomie, Ausschneidung einer Niere, Nierenexstirpation, kann für den Körperhaushalt gefahrlos geschehen, weil die zweite Niere nach Exstirpation der andern deren Funktion auf sich nimmt und sich dementsprechend vergrößert. Dazu ist freilich unumgänglich, daß eine zweite, normal funktionierende Niere vorhanden ist, weil andernfalls die mit der Exstirpation der einen Niere sofort aufhörende oder doch nur ungenügend stattfindende Harnausscheidung schnellstens zum Tode durch Urämie führen müßte. Es ist deshalb vor der Operation die Beschaffenheit der andern Niere zu untersuchen. Seitdem es gelungen ist, vor allem durch die Bemühungen Nitzes, Caspers, Albarrans (Paris) etc., die einzelnen Nierenharnleiter von der Blase (Cystoskop) aus zu sondieren und so den Urin jeder Seite getrennt für sich aufzufangen, ist gerade in neuerer Zeit eine beruhigende Sicherheit erzielt worden, die entscheidet, ob eine Nierenexstirpation erlaubt oder wegen Erkrankung auch der andern Niere verboten ist. Die Nephrektomie wird wie die Nephrotomie selten durch Bauchschnitt, meist von der Lendengegend her ausgeführt, und zwar bei durch Nierensteine erzeugter Pyo- oder Hydronephrose sowie bei Nierenechinococcusgeschwülsten, die man durch die Nephrotomie vergeblich zu heilen versucht hat, bei Verletzung des Harnleiters, bei Operationen in der Bauchhöhle, bei lebensgefährlichen Blutungen aus der Niere nach Verletzungen, bei Cysten und bösartigen Geschwülsten der Niere, bei Nierensteinen, wenn die Steine das Organ vollständig zerstört haben. – 3) Die Nephrolithotomie, der Nierensteinschnitt (s. Harnsteine). Zur Entfernung von Nierensteinen legt man die Niere durch Lendenschnitt frei wie bei der Nephrektomie und sucht den Sitz des Steines zu erforschen. Ist derselbe gefunden, so schneidet man ein, entweder in die Kapsel des Nierenbeckens oder in das Nierengewebe selbst, und hebelt den Stein heraus, der, falls er sehr groß ist, mit einer Zange zerbrochen werden muß, um entfernt werden zu können. – 4) Die Nephrorraphie (Nierennaht) wird in schweren Fällen von Wanderniere angewendet: man legt die Niere von der Lendengegend aus frei und legt einige Nähte ein, die durch die Fettkapsel der Niere und einen Teil der Nierensubstanz hindurchgreifen und die Niere an dieser Stelle so lange fixieren, bis sich Verwachsungen gebildet haben, die sie dort dauernd festhalten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 681.
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