Päderastīe

[300] Päderastīe (griech., »Knabenliebe«, Kinädie), auf geistigem and sinnlichem Wohlgefallen beruhende Zuneigung älterer Personen männlichen Geschlechts zu Knaben und Jünglingen und der daraus entstandene innige Verkehr zwischen beiden; dann Knabenschänderei, Befriedigung des Geschlechtstriebes bei Männern am eignen Geschlecht (Homosexualität) durch Mißbrauch eines jugendlichen Körpers. Bei vielen Völkern des Altertums, z. B. bei Hebräern, Persern, Etruskern, Kelten, war Knabenliebe und Knabenschändung nicht ungewöhnlich; am bekanntesten ist aber die griechische P. (griechische Liebe) geworden. Bei den Griechen war freundschaftlicher Verkehr zwischen Männern und Knaben weit verbreitet und galt als förderlich für die Erziehung zu männlicher Tüchtigkeit. In den dorischen Staaten Sparta und Kreta wurde eine solche Freundschaft sogar gesetzlich begünstigt. Dort war es ein Makel für einen Knaben, wenn ihn kein Mann seiner Liebe wert fand, und für den Mann ein Vorwurf, wenn er keinen Jüngern zum Liebling erkor. Hatte ein Mann eine solche Verbindung geschlossen, so war er für seinen Liebling verantwortlich und wurde für dessen Vergehen als strafbar angesehen. Wer das Verhältnis mißbrauchte, galt für ehrlos und konnte sich vor der allgemeinen Verachtung nur durch Tod oder freiwillige Verbannung retten. Auch in Kreta war es für einen Knaben aus guter Familie eine Schmach, keinen Liebhaber zu finden; anderseits genoß, wer die Liebe eines Mannes gefunden, unter den Knaben besondere Ehren. Daß schon früh neben der edlen die unedle P. bei den Griechen aufkam, zeigen die schweren Strafbestimmungen einzelner Staaten; mit dem allgemeinen Sinken der Sittlichkeit seit dem Peloponnesischen Krieg und zumal in der Zeit nach Alexander d. Gr. gewann das Laster immer größere Verbreitung auch in Sparta und besonders in Kreta, das deswegen sprichwörtlich war. Die Römer kannten die edle P. nicht; als Unzucht begegnet sie schon im 4. Jahrh. v. Chr. und war namentlich in der Kaiserzeit sehr verbreitet. Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (die sogen. Carolina) bedrohte die P. mit dem Feuertod. Das Reichsstrafgesetzbuch, § 175, versteht unter P. die widernatürliche Befriedigung des Geschlechtstriebes zwischen Personen männlichen Geschlechts und bestraft sie mit Gefängnis von 1–5 Jahren. In Österreich (Strafgesetzbuch, § 129) wird sie mit schwerem Kerker von 1–5 Jahren bestraft. Widernatürliche Geschlechtsbefriedigung zwischen Frauen (lesbische Liebe oder Tribadie) ist straflos. In China und Japan ist P. allgemein verbreitet, gilt nicht als schändlich und widernatürlich und erhält unter Freunden, wie einst bei den Griechen, eine ideale Seite. Über die P. als krankhafte Erscheinung, als perverse Sexualempfindung, s. Homosexualität.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 300.
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