Praefectus

[250] Praefectus (lat.), im alten Rom allgemeine Bezeichnung eines Vorstehers oder Aufsehers, dessen amtliche Tätigkeit näher durch einen Zusatz bestimmt wird. So wurden während der Republik bis zum Bundesgenossenkrieg in gewisse Klassen italischer, von Rom abhängiger Städte jährlich Präfekten (vollständig praefecti juri dicundo) geschickt, um daselbst Recht zu sprechen oder die Verwaltung zu ordnen; der P. annonae sorgte für die Zufuhr von Getreide; der P. classis befehligte die Flotte, der P. alae oder equitum Reiterabteilungen der Hilfstruppen, der P. cohortis Fußabteilungen derselben, der P. fabrum die Pioniere, der P. castrorum hatte Befestigungen anzulegen, das Kriegsmaterial zu beaufsichtigen und in Abwesenheit des Befehlshabers auch eine Legion zu führen. Eine besondere Bedeutung hatte unter den Kaisern das von ihnen allein besetzte Amt des P. urbi (oder urbis) und das des P. praetorio. Ein P. urbi wurde schon in der Republik und unter den Königen ernannt, so oft der König oder die Konsuln von Rom abwesend waren. Von Augustus aber wurde das Amt als ein ständiges eingesetzt und nach und nach mit immer weiter reichenden Obliegenheiten und Vollmachten verbunden, so daß endlich der Inhaber alles, was zur Sicherheit der Stadt und der Umgegend im Umkreis von 100 röm. Meilen diente, wahrzunehmen und eine selbst über diesen Kreis hinausgehende, nur der Appellation an den Kaiser unterworfene Kriminal- und Zivilgerichtsbarkeit auszuüben hatte. Das andre von Augustus eingesetzte Amt, das des P. praetorio, wurde gewöhnlich von zwei, zuweilen von einem, selten von drei aus dem Ritterstand genommenen Präfekten verwaltet. Sie besaßen anfangs nur den Oberbefehl über die Prätorianer (s. d.), allmählich aber erwarben sie sich immer größere Macht (besonders seit Sejanus unter Tiberius), wurden sogar mit der Stellvertretung des Kaisers betraut und verfügten mehrfach über den Thron; seit Konstantin standen sie an der Spitze der gesamten Zivilverwaltung in den vier Präfekturen, in die das Reich zerfiel, während die militärische Gewalt ihnen entzogen war.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 250.
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