Rudlieb

[232] Rudlieb (Ruodlieb), latein. Gedicht aus dem 11. Jahrh., wahrscheinlich von einem Bayer verfaßt und als der erste frei erfundene Ritterroman merkwürdig. Die erhaltenen Bruchstücke erzählen, wie der Recke R. vor seinen Feinden zum König von Afrika entweicht und, nachdem er zehn Jahre daselbst zugebracht, durch einen Brief seiner Mutter zurückgerufen wird. Beim Abschied gibt ihm der König zwölf goldene Lehren, von denen dann ein Teil sich in den nunmehr folgenden Abenteuern bewährt. Zu Hause angelangt, soll sich R. vermählen. Eine von den Verwandten vorgeschlagene, aber ihm anstößige Heirat weiß er zu umgehen. Darauf zeigt ihm ein Zwerg. den er bezwingt, den Schatz zweier Könige, des Immung und seines Sohnes Hartung; beide erschlägt R., und die schöne Herburg, Immungs Tochter und eines mächtigen Reiches Erbin, wird seine Frau. Das Gedicht, das sich in epischer Weise ergeht und vom Leben der damaligen Zeit ein reiches Bild entwirft, wurde zuerst von Schmeller in den mit Jak. Grimm zusammen veröffentlichten »Lateinischen Gedichten des 10. und 11. Jahrhunderts« (Götting. 1838), dann von Seiler (Halle 1882) herausgegeben, von Moriz Heyne übersetzt (Leipz. 1897).[232]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 232-233.
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