Starrsucht

[863] Starrsucht (Katalepsie), ein eigentümlicher Zustand der Muskeln, bei dem die Glieder in jeder ihnen gegebenen Stellung unwillkürlich festgehalten werden. Die S. ist keine Krankheit für sich, sondern nur ein Symptom verschiedener Krankheitszustände. Sie tritt am häufigsten auf bei schwerer Hysterie und verbindet sich hier meist mit Bewußtseinsstörungen und Aufhebung des Ermüdungsgefühls der Muskeln, so daß ein Kranker z. B. über eine Stunde lang die seinem Arm gegebene Stellung unverändert beibehält. Die Muskeln sind dabei sämtlich kontrahiert, so daß Beuger und Strecker sich das Gleichgewicht halten, so zwar, daß der Einfluß des Willens auf die kontrahierten Muskeln aufgehoben ist. Ähnlich wie die hysterische S. ist die S. in der Hypnose (s. Hypnotismus) zu beurteilen. Auch bei Geisteskrankheiten und bei organischen Gehirnerkrankungen kommt S. vor. Manchmal tritt die S. in Anfällen auf, nicht selten bei sonst anscheinend gesunden Personen. Außer durch Hysterie können solche Anfälle auch durch Epilepsie verursacht sein. Der Anfall tritt plötzlich ein; die Kranken bleiben unbeweglich wie eine Statue in der Stellung oder Lage, in der sie sich gerade befinden, wenn sie der Anfall überrascht. Entweder ist während des Anfalls das Bewußtsein aufgehoben, oder aber die Kranken sind bei Bewußtsein, immer aber ist die Empfindung und die Reflexerregbarkeit geschwunden, so daß die Kranken auf äußere Reize nicht reagieren. Die Atmungsbewegungen und der Herzschlag sind zuweilen äußerst schwach. Ein Anfall dauert meist nur wenige Minuten, selten mehrere Stunden oder Tage. Die Kranken gähnen und seufzen, wenn der Anfall vorübergeht, und machen ganz den Eindruck eines Menschen, der aus einem tiefen Schlaf erwacht. Nach dem Anfall wissen die Kranken oft gar nicht, daß etwas Ungewöhnliches mit ihnen vorgegangen ist, in andern Fällen bleiben sie nach dem Anfall für kurze Zeit angegriffen, schwindlig und klagen über Eingenommenheit des Kopfes. Oft tritt nur ein Anfall ein, selten folgen sich in kurzen oder langen Zwischenräumen mehrere Anfälle. Die S. geht fast immer nach längerm oder kürzerm Bestand in Genesung über. Dauert der Anfall länger an, so kann es nötig werden, dem Kranken künstlich (durch die Schlundsonde) Nahrung einzuführen. Vgl. Kataplexie.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 863.
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