Warenhausdiebstähle

[374] Warenhausdiebstähle sind mit der zunehmenden Zahl und Pracht der Warenhäuser ein häufiges Vergehen gegen das Eigentum und bei strafrechtlicher Verfolgung Gegenstand irrenärztlicher Begutachtung geworden. Unter den (meist weiblichen) Warenhausdiebinnen ist ein großer Prozentsatz, deren Geisteszustand die volle Verantwortung ausschließt. Ganz abgesehen von Geisteskranken, z. B. Schwachsinnigen und Paralytikern, finden sich darunter hysterische und neurasthenische Individuen, deren krankhafte Willensschwäche den durch den Anblick der aufgestapelten Schätze geweckten Begehrungsvorstellungen nicht standhält. Sie werden in einem Zustande von momentaner Betäubung oder Überrumpelung zu Dieben. Oft trägt auch die Tat den Stempel des Abnormen: es stehlen Leute, die es gar nicht nötig haben, Dinge, die für sie unbenutzbar und wertlos sind. Häufig geschehen die W. von Frauen zur Zeit der Menstruation oder Schwangerschaft. In vielen Fällen liegt schwere erbliche Belastung und Zeichen physischer Degeneration (Angstzustände, Wandertrieb, Schwindel, Ohnmachten) vor. Die psychiatrische Begutachtung hat nachzuweisen, daß die gesetzwidrige Handlung unter Umständen erfolgte, die im Sinne des § 51 des Strafgesetzbuches die freie Willensbestimmung aufhoben. Vgl. L. Laquer, Der Warenhausdiebstahl (Halle 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 374.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: