Menstrūation

[617] Menstrūation (lat., Menses, monatliche Reinigung, Regel, Periode, griech. Katamenien), die beim geschlechtsreifen Weibe periodisch in Intervallen von etwa vier Wochen auftretende, mehrere Tage anhaltende Blutung aus der Gebärmutter. Sie tritt in unsern Klimaten durchschnittlich mit dem 14. Lebensjahr ein und dauert, wenn nicht besondere Verhältnisse dazwischentreten, bis etwa zum 45. Jahr an. Der Eintritt der M. bekundet die Fortpflanzungsfähigkeit des weiblichen Organismus, ihr Erlöschen kennzeichnet das Aufhören dieser Fähigkeit. In südlichen Klimaten tritt die M. schon bei Mädchen von 8–12 Jahren ein, erlischt dafür auch um so früher; in nördlichen Gegenden dagegen fällt der Eintritt der M. erst in das 18.–20. Jahr. Die physiologische Bedeutung der M. beruht in der jedesmal dabei stattfindenden Abstoßung eines reisen, befruchtungsfähigen Eies aus dem Eierstock, das in den Eileiter und durch diesen in die Gebärmutter übertritt. Dabei wird die Schleimhaut der Gebärmutter sehr blutreich und schwillt bedeutend an, die oberflächliche Schicht der Schleimhaut wird abgestoßen, so daß Bestandteile derselben im Menstrualblut sich vorfinden. Die Schleimabsonderung in der Scheide, in geringerm Grad auch in der Gebärmutter, nimmt zu, die äußern Genitalien werden blutreicher und wärmer; viele Kapillargefäße der Gebärmutterschleimhaut zerreißen infolge ihrer übermäßigen Anfüllung mit Blut, und das vergossene Blut läuft als Menstrualblut ab. Bei gesunden weiblichen Individuen dauert die Menstrualblutung durchschnittlich 4–5 Tage, die Menge des vergossenen Blutes schwankt zwischen 100 und 250 g im ganzen. Meist verläuft die M. unter gewissen Beschwerden, die nicht nur die Gegend der Genitalien, sondern mehr oder weniger den ganzen Körper in Mitleidenschaft ziehen. Bei vielen Frauen beginnen sie schon einen oder mehrere Tage vorher, um mit dem Eintritt der Blutung allmählich wieder nachzulassen. An Intensität sind sie sehr verschieden, bisweilen können sie gänzlich fehlen. Niemals dürfen sie unter normalen Verhältnissen bis zu eigentlichen Schmerzen ausarten, vielmehr müssen solche Fälle als pathologisch angesehen werden. Die Klagen beziehen sich teils auf lokale Empfindungen, teils betreffen sie mehr das Allgemeinbefinden. Die erstern bestehen in Schwere im Unterleib, Gefühl des Drängens nach unten und Ziehen im Kreuz. Die allgemeinen Beschwerden sind Schwächegefühl, Mattigkeit, Beeinträchtigung der Energie, Kopfschmerzen, Appetitmangel, Reizbarkeit und allgemeine Unlust. Der Eintritt der Blutung bringt mitunter Erleichterung, in andern Fällen dauern die Beschwerden bis zum Ende der M. an. Da der Körper zur Zeit der M. für Schädlichkeiten besonders empfänglich ist, so müssen während derselben besondere diätetische Vorschriften beobachtet werden, deren Vernachlässigung leicht gesundheitsschädliche Folgen nach sich ziehen kann. Vornehmlich sollen Erkältungen, jede Art von Anstrengung vermieden werden. Andauerndes Gehen oder Stehen, Maschinennähen, Tanzen, Reiten, Radfahren etc. sind während der M. zu unterlassen. Weiterhin ist Sorge für Reinlichkeit von großer Wichtigkeit. Es empfiehlt sich, während der M. eine Binde (s. Menstruationsbinde) zum Auffangen des Blutes zu tragen und die äußern Geschlechtsteile täglich mit abgekochtem, warmem Wasser und Watte zu reinigen. Scheidenausspülungen sollen nur gemacht werden, wenn sie vom Arzt ausdrücklich verordnet sind. – Zu den Anomalien der M. gehören der zu frühe Eintritt der M. (Menstruatio praecox) und der verspätete Eintritt (Menstruatio serotina), ferner die mit zu starker Blutung einhergehende M. (Menorrhagie), das Ausbleiben der M. (Amenorrhoe,[617] s. d.) und die mit Schmerzen verlaufende M. (Dysmenorrhoe, s. d.). Unter vikariierender M. versteht man das periodische Auftreten von Blutungen aus andern Organen als der Gebärmutter, z. B. Nase, Kehlkopf, Lunge etc. Doch sind sicher beobachtete Fälle dieser Menstruationsanomalie selten. Ein zu früher Eintritt der M. (Menstruatio praecox) kommt nicht häufig vor. Wenn in unserm Klima die M. nicht im 14.–16., sondern schon im 12. bis 14. Jahr eintritt, so ist dies nur dann eine krankhafte Erscheinung, wenn der Körper noch verhältnismäßig unentwickelt ist. Man beobachtet aber auch bei scheinbar völlig unentwickelten 11–12jährigen Mädchen zuweilen regelmäßig wiederkehrende und von allen Symptomen der M. begleitete Blutungen aus den Genitalien, und die Erfahrung lehrt, daß fast alle solche Mädchen später an hartnäckiger Bleichsucht erkranken. Wenn bei jungen Mädchen die jedesmalige, sei es anfangs rechtzeitig oder nicht rechtzeitig eingetretene M. mit starkem oder überstarkem Blutverlust einhergeht, so ist dies nur äußerst selten ein Zeichen von Vollblütigkeit. In der Regel, immer aber bei zarten, blassen Mädchen, bekundet es eine Schwäche des blutenden Organs, das sich nicht genügend kontrahiert. Da muß sofort der Arzt gefragt werden, sonst kann der zarte Körper den großen Blutverlust von 4 zu 4 Wochen nicht ersetzen, es bleibt jedesmal ein Minus, das mit jeder M. größer wird, mit einem Wort, es tritt eine chronische Verblutung ein, der beizeiten vorzubeugen ernste Pflicht ist. Allzu reichliche menstruale Blutungen erfordern umsichtige ärztliche Behandlung. – In gerichtsärztlicher Praxis ist zuweilen zu entscheiden, ob Flecken menschlichen Blutes von der M. herrühren oder andern Ursprungs sind. In der Beziehung zeigt die Erfahrung, daß von der M. herrührende Blutflecke in der Wäsche stets von einem hellen Saum umgeben sind, weil der mit dem Blut sich zugleich ergießende Schleim sich weiter in die Wäsche hineinsaugt als das Blut.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 617-618.
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