Zahnschmerz

[844] Zahnschmerz (Odontalgie), ein je nach Verschiedenheit der veranlassen den Ursache mehr oder minder heftiger Schmerz, der seinen Sitz in den Nerven der Zähne oder deren Umgebungen und je nach der Menge der unmittelbar oder durch Sympathie ergriffenen Nerven eine größere oder geringere Ausbreitung hat. Man unterscheidet im allgemeinen idiopathischen Z., der seinen Sitz im Zahne selbst hat, und sympathischen, der von entfernten Ursachen abhängig ist. Nach seinen Ursachen wie nach seinem Sitz ist der Krankheitszustand, dessen Symptom der Z. ist, verschieden, und nach dieser Verschiedenheit hat sich die Behandlung zu richten, indem sie vor allem die Beseitigung der Ursachen zu erstreben hat. Der durch Nervenentblößungankariösen Zähnen entstandene, also idiopathische Z. charakterisiert sich namentlich durch klopfende und reißende, durch Kälte sowohl als durch Hitze an Intensität zunehmende Schmerzen. Bei oberflächlicher Karies wird der schadhafte Zahn am besten unter den nötigen Vorsichtsmaßregeln gefüllt. Symptomatisch, um eine Beruhigung der empfindlichen Nerven zu erreichen, werden in die kariöse Höhle kleine Wattebäuschchen, getränkt mit desinfizierenden Mitteln: Karbol, Nelkenöl, Kreosot etc., oder mit narkotisierenden: Chloroform, Morphium, Opium, eingeführt. Zum Töten des Nervs benutzt man Arsenik. Das Ausziehen des Zahnes ist hier also nicht nötig. Periostitischer Z. beruht auf Entzündung der Wurzelhaut, die den Zahn in seiner Unterkiefergrube (Alveole) befestigt (äußere Periostitis oder Periodontitis), er kann rheumatisch sein, befällt aber meistens Zähne, die durch Karies bereits angegriffen sind. Die Entzündung der Zahnwurzelhaut gibt sich durch einen anfangs dumpfen, später sehr lebhaften klopfenden Schmerz zu erkennen. Bei der geringsten Berührung ist der kranke Zahn äußerst empfindlich und scheint dem Patienten länger zu sein als die übrigen Zähne. Am Zahnfleisch treten vermehrte Röte und Geschwulst auf, die sich allmählich auf die benachbarte Wange erstrecken, worauf der Schmerz in der Regel merklich abnimmt; nicht selten bildet sich ein Zahngeschwür. das die Mundschleimhaut durchbricht, namentlich wenn man Feigen od. dgl. zur Erweichung darauflegt, das aber oft so schmerzhaft wird, daß man es besser künstlich eröffnet, den Eiter entleert, worauf gewöhnlich Heilung erfolgt. Bei Entzündung der Zahnpulpa (innere Periostitis oder Endodontius) ist der Schmerz flüchtig und stark bohrend, stellt sich periodisch ein, wird aber später anhaltend und ist nicht selten von Fieber begleitet. Die Entzündung der Wurzelhaut geht gewöhnlich in Eiterung über, worauf dann Zahnfisteln oder Beinfraß des Alveolarfortsatzes folgen können, wenn das Übel vernachlässigt wird. Vgl. Zahnkrankheiten und Zahnpflege. Bei der Behandlung hat man zuvörderst die Ursachen des entzündlichen Zustandes zu erforschen: ist der Grund ein schadhafter Zahn, so muß dieser behandelt oder entfernt werden; im erstern Falle sind auch ableitende Mittel am Platze. Der nervöse Z. (Zahnneuralgie) hat seinen letzten Grund in einer allgemeinen Verstimmung des Nervensystems und charakterisiert sich dadurch, daß sich weder Geschwulst noch Röte der umliegenden Teile zeigen, und daß in seinem Gefolge niemals Zahnfleischabszesse auftreten. Der idiopathisch-nervöse Z. gibt sich durch flüchtige, lebhafte, in unbestimmten Zeiträumen wiederkehrende Stiche in den affizierten Zähnen zu erkennen und wird so wenig durch kühles als durch warmes Verhalten gebessert. Der sympathisch-nervöse Z unterscheidet sich von jenem nur dadurch, daß er in Verbindung mit entferntern Organen, von denen die veranlassende Ursache eigentlich herstammt, hervorgebracht wird. Solche Organe sind namentlich der Darmkanal mit seinen Drüsenapparaten und die Genitalien, besonders des weiblichen Geschlechts, und man pflegt hiernach gastrischen, hysterischen und den oft mit der Schwangerschaft verbundenen Z. zu unterscheiden. Entzündliche Affektion der Kiefernerven, sogen. Neuralgie des Trigeminus hat fast ausnahmslos ihren Grund in irgendeinem Zahn. Auch hier ist das Entfernen der Zähne nutzlos.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 844.
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