Vidal (de Cassis), Auguste-Théodore

[1765] Vidal (de Cassis), Auguste-Théodore, zu Paris, bekannter Chirurg, geb. 3. Jan. 1803 in dem Dorfe Cassis bei Marseille, studierte seit 1823 zuerst im Hôtel-Dieu zu Marseille unter Moullaud, war 4 Jahre lang Interne in demselben, zusammen mit dem später als Chirurg ausgezeichneten Goyrand (d'Aix), kam mit demselben nach Paris, wo er eifrig Dupuytren's Klinik besuchte und 1828 Dr. wurde mit der These: »Nouveau procédé[1765] pour extraire les calculs de la vessie (Taille quadrilatérale)«, worin er, im Gegensatz zu Dupuytren's »Taille bilatérale«, die Prostata nach 4 oder noch mehr Richtungen einzuschneiden empfahl. Er wandte sich frühzeitig dem med. Journalismus zu, wurde Mitarbeiter und Mitredakteur der Clinique, der von Fabre, seinem Landsmanne, neu gegründeten Lancette française (seit 1828), der Gaz. médicale, des Journ. univers. hebdomadaire (seit 1830), des Journ. hebd. des progrès des sc. méd. (seit 1834) und veröffentlichte, neben seinen durch eine scharfe und oft kaustische Feder ausgezeichneten krit. Revuen und Feuilletons, auch wissenschaftl. Arbeiten; namentlich scheint er die Idee des Operierens in zwei Zeiten (z.B. zur Vermeidung von Harninfiltration beim hohen Steinschnitt), worüber er 1848 in der Acad. de méd. ein Mém. »Des opérations en plusieurs temps« las, schon als Student, wie Goyrand bezeugt, gefasst zu haben, ebenso wie die der Cystotomie durch Ätzmittel. Er beteiligte sich mit Erfolg an mehreren Konkursen, wurde 1832 zum Agrégé der Fakultät und 1833 zum Chirurgen des Bureau central ernannt, nachdem er 1832 von Thiers zur Behandlung der Cholerakranken nach Aix gesandt worden war. Seine spätere Stellung (seit 1839) als Chirurg des kürzlich errichteten Hôp. de Lourcine (für weibliche Geschlechtskrankheiten) gab ihm Anlass zu seinen Untersuchungen über solche und die Syphilis und sammelte er hier die ersten Materialien zu seinem späteren Werke über die vener. Krankheiten. Weitere Erfahrungen über letztere machte er in dem für Männer bestimmten Hôp. du Midi, in welchem er seit 1842, neben Ricord, eine Abteilung leitete. Er verfasste einen »Essai histor. sur Dupuytren etc.« (Paris 1835), mehrere chir. Briefe an Matth. Mayor in Lausanne, gegen dessen übertriebene Vereinfachungen der Chir., z.B. den »Cathétérisme forcé« (1836), gerichtet, und begann 1838 die Herausgabe eines trefflichen chirurgischen, sich bald in der ganzen Welt einbürgernden und in seinen späteren Ausgaben, deren 4 bis zu seinem Tode erschienen, sehr wesentlich verbesserten Lehrbuches der Chir.: »Traité de pathologie externe et de médecine opératoire etc.« (5 voll., 1838 bis 41; 3. éd. 1851; 5. éd. mit Zusätzen[1766] von Fano, 1860; nach der 3. Aufl. deutsch bearbeitet von Ad. Bardeleben, 4 Bde., Berlin 1851 bis 59). Es folgten ein »Essai sur le traitement méthodique de quelques maladies de la matrice, injections intravaginales, et intra-utérines« (1840), worin er namentlich gegen hartnäckige Uterin-Katarrhe kaust. Höllenstein-Injektionen empfahl und, da er nicht aufhörte, sich an neu eröffneten Konkursen um chir. Lehrstühle zu beteiligen, auch verschiedene Konkurs-Thesen. Seit 1841 war er Mitherausgeber der »Annales de la chirurgie française et étrangère«. Bekannt ist der von ihm in der »Note sur le débridement du testicule dans le cas d'orchite parenchymateuse« (1844) gemachte Vorschlag, ebenso das von ihm in einer der Acad. de méd. vorgelegten Arbeit: »La cure radicale du varicocèle par l'enroulement des veines du cordon spermatique« (1844; 2. éd. 1850) publizierte, von ihm erfundene und mit grossem Erfolge angewendete Verfahren mit Anwendung von Silberdrähten. Eine andere, bald darauf von ihm gemachte Erfindung betraf die zur Wundvereinigung, namentlich nach der Phimosen-Operation, bestimmten »serres-fines«. Das Werk aber, von dem er sich selbst am meisten versprach, war sein, später mit einem Akademie-Preise versehener »Traité sur les maladies vénériennes« (1852; 2. éd. 1855; 3. éd. 1859; av. 6 pl. color.), welcher, mit Eleganz geschrieben, in entschiedenster Weise die von Ricord vorgetragenen Ansichten bekämpfte. V. starb 15. April 1856, in der Blüte seiner Jahre, ganz unerwartet für seine Freunde. – V. war als Beobachter, als Praktiker und als Schriftsteller gleich ausgezeichnet. Ebenso Chirurg, wie Arzt, hat er sich durch die Erfindung verschiedener operat. Verfahren, wie als scharfer Diagnostiker, besonders auf dem Gebiete der von ihm mit Vorliebe bearbeiteten Geschlechtskrankheiten hervorgethan. Im höchsten Grade besass er die Eigenschaften eines kritisierenden und polemisierenden Journalisten; er war lebhaft, geistreich, nach Bedarf beissend und verstand es vortrefflich, mit einem Blicke sowohl das Ganze einer Frage, als deren wichtigste Details zu erfassen. Eine ausführliche Würdigung seiner sonstigen Leistungen und Bedeutung gab Gurlt im älteren Lexikon.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1765-1767.
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