Lebensliebe

[192] Lebensliebe, eigentlich blos eine eigene Andeutung des Lebensgefühls, d. h. der Wahrnehmung des Lebens im eigenen Bewußtsein. Auch bei Thieren äußert sich die L., wie beim Menschen, instinctmäßig. Sie steht daher in nächster Verbindung mit dem thierischen, wie dem Menschenleben, welchem es zu eigenem kräftigen Schutze gegen äußere Beeinträchtigungen verliehen wurde, u. mit Egoismus. Die L., wie die Todesfurcht, ist eigentlich am stärksten in dem frischen, jugendlichen Leben, in dem Alter der Genüsse; allein auch in der Periode der Lebensabnahme gibt die freundliche Gewohnheit des Seins dieser Urneigung neue Nah-rung, so daß, unter günstigen Verhältnissen, die L. mit den Jahren wächst. Gleichgültigkeit gegen das Leben ist als ein Zustand von Geistesdürftigkeit anzusehen, welcher entweder ein fühlbares Leiden sein kann, od. auch einem zufälligen Seelenleiden sich zugesellt, häufig aber auch krankhafter Art ist, u. hat dann in einem Mangel an Sensibilität, die auch durch einen heftigen Schmerz verzehrt sein kann, ihren Grund. Übermaß des Genusses, welcher die Empfänglichkeit für neue Genüsse abstumpft, führt oft zueiner frühen Lebenssättigung, welche da, wo das Leben einen völlig normalen Gang nimmt, erst im spätesten Lebensalter, dann aber normal eintritt, wo der Mensch, wenn das Leben allmälig u. ohne erhebliche körperliche Störung verglimmt, das L. gern aufgibt. Der reine u. positive Gegensatz der L. aber ist der Lebensüberdruß, ein Leidenszustand, welcher durch Alles herbeigeführt wird, was den Muth im Leben niederschlägt u. der Hoffnung den letzten Anker raubt, häufig aber auch eine Folge körperlicher Abnormitäten, bes. der Abdominalorgane ist.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 192.
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