Anker [1]

[516] Anker (Schiffsw.), eisernes Werkzeug zum Festhalten des Schiffes durch Einhaken auf dem Meeresgrunde. Der A., welcher von besonderen Schmieden (Ankerschmieden) verfertigt wird, besteht aus einer starken eisernen Stange (Ankerruthe, Ankerstange, Ankerhelm), am unteren Ende (Hals, Viereck, Hintertheil) mit 2 (bei Flußfahrzeugen oft 3–5) aufwärts stehenden Armen (Ankerarmen), die sich in starke, dreieckige, spitzige Flächen (Ankerschaufeln) endigen. Die Spitze dieser A-schaufeln heißt Diamand. Mit der A-ruthe bilden die A-schaufeln das Ankerkreuz, u. die Ruthe u. die Arme bilden die Achseln. Oben geht durch das Viereck der Ruthe, welches eine große viereckige Öffnung ist, ein dickes, mit Eisen beschlagenes u. nach der Seite zu dünner werdendes Holz (Ankerstock) in rechtwinkelig[516] sich kreuzender Richtung gegen die A-arme. Über dem A-stock geht durch ein kleineres rundes Loch (Ankerauge) der Ankerring, an welchem ein starkes Tau (Ankertau, Ankerseil, Kabel) mittelst eines Knotens (Ankerstichs) befestigt ist. Der Ring erhält noch eine Fütterung von alten Tauen (Ankerrührung), damit er das A-tau nicht so leicht durchreibt. Wenn durch das Forttreiben des Schiffs das A-tau angezogen wird, muß der A-stock eine wagerechte Richtung nehmen, wodurch der untere der senkrecht auf jenen stehenden Arme mit der Schaufel in den Grund des Wassers eindringt u. das Schiff fest hält. Die A. sind nach der Größe des Schiffs u. ihrer Bestimmung von verschiedener Größe. Die größten, 7–9000 Pfd. schweren, sind: der Noth-(Pflicht-) A., für den höchsten Nothfall, am Bug des Schiffs am Steuerbord liegend; auf ihn folgen, ebenfalls zur Reserve, auf Kriegsschiffen der Raum-A., auf dem 3. Deck, u. der Bug-A., am Bug liegend, ihn führen Kauffahrer selten; der große A. (tägliche A.) wird gewöhnlich geführt u. liegt an der Backbordseite; ihm gleicht der am Krahnbalken befindliche Krahn-(Nacht-) A.; letztere beiden heißen gemeinschaftlich Bord-A.; der Hafen-(Wall-) A. liegt in Häfen am Ufer fest, u. an ihn werden die Schiffe mittelst durch den Ring gezogener Taue befestigt; ihm entgegengesetzt wird oft ein See-A. an der Wasserseite ausgeworfen. Kleinere A. sind der Teg-(Tey-, Tag-, Tau-, Gabel-) A., 2 Anker die man auswirft (das Schiff vertauet), um das Treiben des Schiffs durch Strom u. Fluth (dann auch Fluth- u. Ebbe-A.) zu hindern. Der Wurf-A. wird, wenn ein Schiff sich bei Windstille aus dem Hafen od. an einen anderen Platz begeben will, durch die Schaluppe eine Strecke vom Schiff weggerudert u. dann hinabgesenkt; das Schiff zieht sich nun, da das Tau des Wurf-A-s an Bord ist, bis an diesen Punkt, dann wird er wieder gelichtet u. weiter fortgelegt, bis das Schiff seinen Bestimmungsort erreicht hat. Man nennt dies Werpen. Die kleinsten A. sind die den A-n der Flußfahrzeuge ähnlichen, mehrarmigen Draggen (Dregg-, Boots-, Galeeren-) A., die von den Galeeren, Booten u. dgl. geführt werden; die Spitzen ihrer Arme heißen Klauen. Er heißt dann, zugleich auch zum Entern od. Aufsuchen eines auf dem Meeresgrunde liegenden Taues verwendet, Enter- od. Fischdregg. Sobald ein Schiff auf einem Ankerplatze, d. b. einer Stelle an der Küste, auf einer Rhede od. im Hafen, wo guter Ankergrund ist, d. h. wo der Grund weder steinicht noch schlammig, sondern sandig od. muschelig ist, vor A. gehen will, so läßt es einen od. mehrere A. fallen, indem der innerhalb des Bords liegende, od. außerhalb befestigte A. losgemacht wird u. nun sammt dem A-tau, das durch die Klüsen läuft, über die am Vordertheile des Decks befindliche Ankerwinde herabrollt. Gewöhnlich faßt er Grund; geschieht dies nicht, so ist das Schiff ankerlos (treibt vor den A., schleppt den A.). Zum Zeichen, wo der A. liegt, wird eine Ankerboje (Ankerflott), ein an beiden Enden spitzig zulaufendes wasserdichtes Tönnchen (Tonnenboje), od. ein Holzklotz (Holzboje), od. von Kork gefertigtes Werkzeug (Korkboje), mittelst eines dünnen, hinlänglich langen Seils (Boyreep) an den A. befestigt, welche nun immer oben schwimmt. Soll der A. gelichtet, d. h. wieder aufgezogen werden, so wird ein Flaschenzug (Ankertalje), der am Krahnbalken des Bugs befestigt ist, angewendet, u. der A. mit ihm u. der A-winde aufgezogen; erscheint er über dem Wasser, so wird der A-ring mittelst eines eisernen Hakens, Ankerhakens, gefangen u. unter den Krahnbalken gewunden (aufgekatzt) u. dort befestigt (aufgesetzt). Verlorene A., von denen das A-tau abgerissen u. die Boje verloren ist, werden aufgefischt. Damit der A. die Seiten des Schiffes nicht beschädige, ist nicht nur die Ankerfütterung (Ankerschiene), eine Bekleidung von Bretern, am Buge der Schiffe angebracht, sondern der Ankerschub, ein ovales Bret, wird beim Lichten u. Niederlassen stets zwischen das Schiff u. die gegen den Bord gerichtete A-schaufel geschoben. Oft kommt ein Schiff bei starken Stürmen, od. um ein feindliches vor A. liegendes Schiff fortzuführen, in den Fall, die Anker kappen, d. h. die Taue durchhauen, zu müssen. – In den ältesten Zeiten kannte man die A. nicht; noch bei Homer werden die Schiffe mit großen Steinen (Eunai) festgehalten; später wurden die A. (griech. Aukȳra, lat. Ancŏra) von Eisen verfertigt, waren aber nur mit Einem Haken versehen. Midas soll den A. erfunden haben, n. And. die Tyrrhener, nach And. erfand Eupalamos, Vater des Dädalos, den ein-, der Skythe Anarcharsis den zweiarmigen A. Auch die Alen hatten mehrere A. auf Einem Schiffe; der größte, welcher für den schlimmsten Fall aufbewahrt wurde, hieß der heilige A. Der A. gilt als das Sinnbild der Standhaftigkeit, gewöhnlich der Hoffnung, doch nur sofern sie das Gemüth standhaft erhält.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 516-517.
Lizenz:
Faksimiles:
516 | 517
Kategorien: