Lungenprobe

[612] Lungenprobe (Lumgenschwimmprobe, Docimasia pulmonum hydrostatica), Versuch mit den Lungen eines todtgefundenen Neugeborenen in einem hinlänglich tiefen Gefäße reinen kalten Wassers, um aus dem Schwimmen od. Niedersinken derselben auf das geschehene od. nicht geschehene Athmen zu schließen. Die L. gründet sich auf die specifische Schwere der Lungen, welche, so lange sie nicht geathmet haben, 11/4 specifisch schwerer als Wasser sind u. folglich darin untersinken, während sie nach einmal geschehener Anfüllung mit Luft niemals wieder ganz davon befreit werden können u. dadurch leichter als Wasser darin schwimmen. Die Untrüglichkeit der L. (schon von Galen gekannt, daher Galen'sche L., von Schreyer in Zeitz zuerst zu legalem Zwecke verwendet), ist vielfach u. mit Recht bestritten worden. Erstens kann die L. nur ausmitteln, ob das todtgefundene neugeborene Kind geathmet, nicht aber, ob es nicht ohne zu athmen dennoch nach der Geburt gelebt hat, wie das bei großen Schwächezuständen, Bildungsfehlern der Respirationsorgane, Geburt im Bade, vorsätzlichem Verstopfen des Mundes u. der Nase etc. der Fallist. Dann beweist die L. keineswegs das Leben des Kindes nach der Geburt unbedingt, indem das Kind schon vor u. während der Geburt geathmet haben kann. Ferner kann das Niedersinken der Lungen nicht unbedingt den Tod des Kindes vor der Geburt beweisen, indem die Lungen unter gewissen Bedingungen auch untersinken, wenngleich das Kind eine geraume Zeit nach der Geburt geathmet hat, wie in dem Falle einer unvollkommenen Athmung, wo die Luft nicht in die kleinsten Verzweigungen u. Luftzellen eindringt od. wenn die Lungen mit Schleim, Blut, Eiter u. Tuberkelmasse erfüllt sind. Endlich kann das Schwimmen der Lungen nicht unbedingt das Leben eines todtgefundenen neugeborenen Säuglings nach der Geburt beweisen, indem auch Lungen, welche nicht geathmet haben, schwimmen können, wenn z.B. Luft eingeblasen wurde od. sich durch Fäulniß Luft in der Lungensubstanz entwickelt hat. Gleichwohl ist die L. in zweifelhaften Fällen nicht zu vernachlässigen. Zur Unterstützung der L. sind noch folgende Versuche vorgeschlagen worden: die Blutlungenprobe von Ploucquet u. Daniel, bestehend in der Bestimmung der in der Lunge eines Neugeborenen enthaltenen Blutmenge, gegründet auf den bewiesenen Satz, daß durch die Einathmung beim Neugeborenen vermöge des nunmehr in die Lungen reichlicher einströmenden Blutes das Gewichtsverhältniß zu dem übrigen Körper verändert wird; die Leberprobe von Authenrieth u. Beck, welche aus dem Gewichte dieses Organs die Frage, ob das Kind nach der Geburt geathmet habe, zu entscheiden suchte; die Harnblasenprobe, darauf gegründet, daß ein Kind alsbald nach der Geburt mit Eintritt des Athmens den Urin entleere (jedoch kann der Urin schon vor der Geburt entleert werden); die Mastdarmprobe, noch unsicherer als die vorige, da auch bei todten Kindern Kindespoch entleert wird; die Nabelstrangprobe, der vertrocknete Nabelstrang deutet auf Leben des Kindes nech der Geburt,[612] während er aw todtgeborenen Kinde in Fäulniß übergeht.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 612-613.
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