Scharfrichter

[93] Scharfrichter (Nachrichter, Carnifex), derjenige niedere Angestellte der Strafjustiz, welchem der Vollzug der Todesstrafen, insbesondere der Enthauptung, übertragen ist. Zur Unterstützung stehen ihm die Scharfrichtersknechte (Henkersknechte, Freiknechte, Speculatores) zur Seite, welche das Entkleiden, Niedersetzen, Anbinden u. Festhalten des Delinquenten u. die Wegschaffung des Leichnams zu besorgen haben, so daß das Amt des eigentlichen S-s nur in der Führung des tödtlichen Streiches besteht. Nur den Knechten war auch sonst die Vollziehung der anderen Todesarten außer der Enthauptung, der körperverstümmelnden Strafen, des Staupbesens, Prangers u. dgl. übertragen Gewöhnlich ist das Amt des S-s mit der Abdeckerei (Schinderei, Wasenmeisterei) verbunden, so daß es sogar als ein auf dem für letztere bestimmten Gebäude ruhendes Erblehn vorkommt (s. Abdecker). Weil das Amt des Abdeckers nach früheren deutschrechtlichen Begriffen als ein unehrenhaftes Gewerbe galt, so erklärt es sich, daß die Ansicht verbreitet werden konnte, daß auch der S. eine anrüchige Person sei, während doch nachweisbar dies Amt die bürgerliche Ehre nie beeinträchtigt hat u. der S. daher im Vollgenusse seiner bürgerlichen Ehre verblieb, wenn er z.B. die Abdeckerei nicht selbst betrieb, sondern nur durch seine Schindersknechte ausüben ließ. Die Scharfrichterei wird als eine Art zünftigen Gewerbes betrieben u. der S. erst dann als Meister anerkannt, wenn er einen Verurtheilten wirklich enthauptet hat. Die S. bilden eine ziemlich abgeschlossene Kaste, so daß das Amt des S-s im Falle der Erledigung meist nur an Kinder von S-n od. solche, welche als Freiknechte gedient haben, kommt. Zur Erlangung der nöthigen Sicherheit üben sie sich an aufgehängten Thieren od. einer Säule hölzerner Scheiben, von welchen sie eine aus der Mitte heraushauen. Der Lohn für eine Hinrichtung (Scharfrichterlohn, Henkerslohn), ehedem zur Ungebühr erhöht, ist jetzt meist durch die Taxordnung festgesetzt. Alle herzukommenden S.u. Freiknechte muß der S. nach einer alten Sitte am Tage der Execution bewirthen. Andere Mißbräuche, z.B. daß die Kleidungsstücke, welche ein Hingerichteter getragen hat, dem S. überlassen werden müssen, daß er Alles erhält, was er von dem Orte der Hinrichtung aus mit dem Richtschwert erreichen kann etc., sind jetzt abgeschafft.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 93.
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