Wildheit

[213] Wildheit, Gegensatz der Cultur (s.d.); sie tritt überall hervor, wo die Ausbildung der menschlichen Natur gehindert u. den thierischen Trieben die Herrschaft über den Menschen gelassen wurde, entweder bei ganz rohen, aller Bildung untheilhaft gebliebenen Menschen (wilde Menschen), od. bei solchen, deren Erziehung so vernachlässigt wurde, daß die niedrigsten Triebe fessellos in ihnen wirken, od. bei denen, welche von Jugend an od. sonst lange Zeit des Umgangs mit Menschen entbehrten u. in der Wildniß od. unter wilden Thieren lebend deren Lebensweise angenommen haben (verwilderte Menschen). So wurde 1544 in der Hardt ein 122jähriger Knabe unter Wölfen, 1661 ein neunjähriger Knabe, 1694 ein etwa 20 jähriger Mensch in Lithauen unter Bären, 1717 ein 19jähriges Mädchen bei Kronenburg in Ober-Yssel, 1731 ein 9–10jähriges Mädchen in der Gegend von Chalons gefunden. Aus neuester Zeit ist bes. bekannt die sogenannte Frau von Navidad in Texas, ursprünglich eine entlaufene Negerin, welche nach 15jährigem Leben in der Wildniß 1851 eingefangen wurde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 213.
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