Gemischte Bahnen

[272] Gemischte Bahnen (combined adhesion and rack railway; système combiné à crémaillière et à friction; sistema misto a dentiera e ad adererenza). Als solche werden meist vereinigte Reibungs- und Zahnbahnen bezeichnet; es wechseln hierbei Reibungsstrecken mit Zahnstrecken; letztere erlauben stärkere Steigungen und lassen im steileren Gelände größere Längenentwicklungen der Reibungsbahnen vermeiden; sie ermöglichen daher kürzere Bahnlinien sowie deren besseres Anschmiegen an das Gelände mit geringerem Kostenaufwande.

Der Betrieb dieser Bahnen kann in verschiedener Weise erfolgen, u.zw.:

1. An den Übergangsstellen der Reibungsbahn zur Zahnbahn und umgekehrt wechseln Reibungs- und Zahnradlokomotiven; beim[272] Betriebe mit elektrischen Triebwagen auf der Reibungsstrecke können diese mit oder ohne Betätigung der eigenen Triebmaschine auf der Zahnstrecke mittels einer Zahnradlokomotive geschoben werden. Diese Betriebsart ist dann zweckmäßig, wenn seltener Wechsel erforderlich, also, wie meist der Fall, in eine längere Reibungsstrecke nur eine Zahnstrecke eingeschaltet ist.

2. Die Reibungslokomotive zieht den Zug durch die Reibungsstrecke; in der Zahnstrecke zieht die Reibungslokomotive, außerdem schiebt eine Zahnradlokomotive, die an der Übergangsstelle an das Zugende gesetzt wird, so daß auf der Zahnstrecke Reibungslokomotive und Zahnradlokomotive gemeinsam arbeiten; auch diese Betriebsart erscheint meist dann zweckmäßig, wenn die Reibungsstrecke wesentlich überwiegt und die Zahnstrecken zu einer einzigen vereinigt sind, oder in sehr großem Abstande liegen, damit die Anzahl der erforderlichen Schiebelokomotiven sowie der Lokomotivstationen tunlichst eingeschränkt werden.

3. Die Züge werden durch vereinigte, meist 4 zylindrige Reibungs- und Zahnradlokomotiven, die sowohl als Reibungs- als auch als Zahnradlokomotiven arbeiten, gezogen oder geschoben. Auf den Reibungsstrecken werden nun die glatten Triebräder, auf den Zahnstrecken außer diesen auch noch die Zahnräder der Lokomotiven angetrieben, so daß in diesem Falle die Zugkraft sowohl auf die glatten Schienen als auch auf die Zahnstange übertragen wird; auch wird auf der Zahnstrecke die Zugkraft der Reibungsmaschine mit ausgenutzt. In den Reibungsstrecken muß wohl das Gewicht des Zahnradantriebes als tote Last mitgeschleppt werden. Diese Betriebsart ist dann zweckmäßig, wenn Reibungs- und Zahnstrecken häufig wechseln, was bei der Mehrzahl der gemischten Bahnen, namentlich bei größeren Längen, der Fall ist, da eine der jeweiligen Geländeneigung angepaßte Bahnneigung billige Anlagen ermöglicht, so daß also statt künstlicher Längenentwicklung oder größerer Tunnel- und Viaduktbauten in den Strecken deren Geländeneigung über das durch die Reibungsbahn begrenzte Maß hinausgeht, die Zahnstange eingelegt wird.

An allen Übergangsstellen von der Reibungs- auf die Zahnbahn und umgekehrt sind besondere federnde Einfahrtstücke notwendig, damit der rechtzeitige Eingriff der Zähne des Rades in die Lücken der Zahnstange in allen Fällen gesichert ist (s. Art. »Zahnbahnen«). Das Ziehen der Züge auf den steilen Zahnstrecken ist nur bei hinreichend starken Kupplungseinrichtungen zulässig; sonst müssen die Züge mindestens auf den Zahnstrecken geschoben werden. Werden die Züge auf den Reibungsstrecken gezogen, um größere Fahrgeschwindigkeit und Betriebssicherheit zu ermöglichen, in den steileren Zahnstrecken bei geringerer Fahrgeschwindigkeit geschoben, so sind an den Übergangsstellen der Reibungs- und Zahnstrecken Umsetzgleise für die Lokomotiven oder Spitzkehren erforderlich, welch letztere das Umsetzen entbehrlich machen.

Das Verhältnis der Größtneigung der ausgeführten G. bewegt sich in der Regel auf den Reibungsstrecken von 15 bis 35‰, in den Zahnstrecken von 50 bis 150‰; ausnahmsweise etwas mehr und weniger. Hauptsächlich kommen Spurweiten von 1∙435 m und 1∙0 m und nur ausnahmsweise solche von 0∙85 m, 0∙76 m und 0∙635 m vor. Die Vollspur von 1∙435 m ist meist dort gebraucht, wo Wagen der Vollbahnen verkehren, was auf den gemischten Verbindungsbahnen zweier durch gebirgiges Gelände getrennter Hauptbahnen der Fall ist.

Sind solche Rücksichten nicht zu nehmen und kann die G. als Nebenbahn mit schmaler Spur erbaut werden, so ist die Spurweite tunlichst nicht unter 1∙0 m zu nehmen. Die schmale Spur erschwert die Anordnung der elektrischen Einrichtungen bei Triebwagen.

Die Krümmungshalbmesser werden zumeist in den Zahnstrecken wegen größerer Reibungswiderstände größer wie in den Reibungsstrecken gewählt.

Auf den vollspurigen G. bewegen sich die Krümmungshalbmesser in den Reibungsstrecken zwischen 250 m und 180 m, in den Zahnstrecken zwischen 300 m und 180 m. Auf den schmalspurigen G. gehen die Krümmungshalbmesser bis auf 80 m, ausnahmsweise bis auf 30 m herab.

In den Reibungsstrecken wird in der Regel mit 15 bis 45 km/Std., in den Zahnstrecken mit 7 bis 15 km/Std. Geschwindigkeit gefahren. Weiteres hierüber s. Art. Zahnbahnen.

Dolezalek.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 272-273.
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