Triebwagen

[366] Triebwagen (rail motor cars; automotrices; automotori). Geschichtliches. Als ältester Eisenbahntriebwagen (Motorwagen) ist die »Novelty« (»Neuheit«) von Ericsson und Braithwaite anzusehen, die als »Lokomotive« an der Wettfahrt von Rainhill im Oktober 1829 beteiligt war. Es war ein leichtes zweiachsiges Wagenuntergestell, auf dem die stehende zweizylindrige innenliegende Maschine nebst Wasser- und Kohlenbehälter und der Kessel aufgebaut war (vgl. Literatur). Letzterer war aus einem Stehkessel mit Feuerbüchse und einem liegenden Walzenkessel mit schlangenförmig gekrümmtem Flammrohr zusammengesetzt. Nach diesem Vorbild, das noch heute im »Science Museum« (»South Kensington Museum«) in London aufbewahrt wird, baute der Oberingenieur Samuel der englischen Ostbahn – der auch als Erfinder des Eisenbahnfahrrads (Draisine) gilt – seine »Expressmaschine« mit stehendem Röhrenkessel und liegender Zwülingsmaschine, mit ebenfalls inneren Zylindern und Kropfachse. Zum Unterschied von der nur für die Bedienungsmannschaft Raum bietenden und zu deren Schutz mit einem einfachen Geländer versehenen »Novelty« besaß die ursprünglich für den Bahnaufsichtsdienst bestimmte – später auch für den Reiseverkehr benutzte – »Expreßmaschine« offene, völlig ungeschützte Sitzplätze für 7 Personen. Die Fahrgeschwindigkeit betrug auf längeren Reisen für gewöhnlich 48 km/Std., konnte aber vorübergehend auf 51 Meilen = 82 km/Std. gesteigert werden. Auf diesen T. folgte 1849 ein von Bridges Adams[366] entworfener Dampfwagen, der aus einer zweiachsigen ungekuppelten Lokomotive (Bauart »Bury«) und einem gewöhnlichen, fest damit verbundenen zweiachsigen Personenwagen zusammengebaut war. Ein anderer, im gleichen Jahr von Adams gebauter Dampfwagen bestand aus einem zweiachsigen Wagen und einer einachsigen, mit diesem fest – aber doch leicht lösbar – verbundenen Lokomotive mit Blindwelle. Von letzterer aus wurde die Kurbelachse, auf der sich die Räder zum leichteren Durchfahren der Bahnkrümmungen lose drehten, von außen angetrieben. Die mittlere Achse des Fahrzeugs war seitlich verschiebbar. Heizung des Wagens mittels heißen Wassers in dünnen Metallröhren wurde damals schon in Vorschlag gebracht. Mehrere ähnlich gebaute Dampfwagen wurden in der Umgebung von London in Betrieb genommen. Der Fußboden beider letztgenannten Dampfwagen lag tief; beide fuhren gelegentlich mit 2 Anhängwagen.

Erst 1868 erscheint ein neuer Dampfwagen von Fairlie, der aus einem dreiachsigen zweistöckigen Personenwagen und einer ebenfalls dreiachsigen, als Wagen verkleideten Lokomotive bestand. Alle 3 Lokomotivachsen waren gekuppelt, ebenso die gleichfalls mit Dampfantrieb versehenen 3 Achsen des damit verbundenen Personenwagens; beide Achsgruppen waren mit mittlerem Drehzapfen ausgestattet. Der Dampfwagen war somit – bei niedrigem Raddruck – zur Fahrt auf stark geneigten Strecken mit scharfen Krümmungen und leichtem Oberbau geeignet, ähnlich wie die bekannte »Fairlie-Lokomotive«. Im folgenden Jahr bauten Fairlie und Samuel gemeinsam 2 Dampfwagen verschiedener Größe mit je 2 Drehgestellen, von denen das eine den stehenden Röhrenkessel und die Maschine trug und 2 gekuppelte Achsen hatte. Diese Wagen können als Vorbild der heutigen vierachsigen britischen und irischen Dampfwagen gelten.

Es folgen dann nacheinander und zum Teil gleichzeitig die Dampfwagen von Grantham, Brunner, Belpaire, Rowan (s. Bd. VII, Abb. 212), Weißenborn, die zweistöckigen Wagen von Thomas (hessische Ludwigsbahn) und von Krauß, ferner Dampfwagen von Baldwin (Philadelphia) und feuerlose Wagen für Straßenbahnen. Am längsten haben sich, z.T. bis heute, Wagen der Bauart Rowan behauptet. Ein bemerkenswerter, auch schon der Geschichte angehörender Dampfwagen ist fernerhin von Serpollet gebaut; dieser Wagen ist dadurch merkwürdig, daß sein Kessel (s. Bd. VII, Abb. 213) keinen eigentlichen Wasserraum besaß, indem das Wasser in den bis zur Rotglut erhitzten Röhren sofort verdampfte. Auch Druckluftwagen und die Gaswagen von Lührig für Straßenbahnen hatten keinen dauernden Erfolg, indem sie bald durch den elektrischen Betrieb verdrängt wurden.

Einen neuen starken Anlauf mit nachhaltigerem Erfolg nahm das Triebwagenwesen um die Jahrhundertwende. Die Förderung des Vorortverkehrs in der Nähe großer Städte, des Zwischenverkehrs auf Hauptbahnen und des Verkehrs der Nebenbahnen, namentlich seitens der großen staatlichen Eisenbahnverwaltungen, sind an diesem Erfolg ebenso beteiligt wie die Fortschritte der Technik. Während die früheren Eisenbahntriebwagen, dem damaligen Stand der Technik entsprechend, fast ausschließlich Dampfwagen sind, treten nunmehr Verbrennungsmaschinen und elektrischer Antrieb mit in Wettbewerb.


Neuere Eisenbahntriebwagen.


a) Dampfwagen. Die neueren Dampftriebwagen sind teils mit eigens entworfenen Kesseln und mit Maschinen besonderer leichter Bauart, teils auch mit solchen Kesseln und Maschinen versehen, die unmittelbar von bekannten und im Eisenbahnbetrieb üblichen Bauarten abgeleitet sind. Die ersteren sind vorwiegend auf Neben- und Kleinbahnen, die letzteren auf Hauptbahnen in Betrieb. T. von Ganz & Co. (Budapest) mit Kesseln der Bauart de Dion Bouton (Bd. VII, Abb. 214) und schnellaufenden, unter dem Wagenkasten aufgehängten Maschinen mit Zahnradübersetzung haben sich in Ungarn, Rumänien und Serbien bei sehr weichem Speisewasser und leichten Betriebsverhältnissen bewährt. Erwähnenswert sind Wagen dieser Art für die Strecke Adriatico-Fermo-Amandola bei Ancona, mit einer stärksten Steigung von 7∙5% (1 : 13) und Krümmungen bis zu 50 und selbst 18 m Halbmesser, bei einer Spur von 0∙95 m. Sämtliche 4 Achsen der beiden zweiachsigen Drehgestelle dieser Wagen werden von einer unter dem Wagenkasten liegenden Welle aus mittels gelenkig angeschlossener Kegelräder angetrieben. Rohrplattenkessel der Bauart Stoltz haben sich auf deutschen Bahnen – mit Rücksicht auf das durchwegs harte Speisewasser und auf die bessere Eignung der elektrisch angetriebenen Wagen – ebensowenig einführen können wie die vorerwähnten. Noch empfindlicher gegen hartes Speisewasser sind die Kessel von Komarek und Purrey mit gekrümmten Rohren. Dampfwagen sind heute in Deutschland noch in Betrieb bei den württembergischen und bei den bayerischen Staatseisenbahnen. Die teils regelspurigen, teils schmalspurigen T. der württembergischen [367] Staatseisenbahnen haben stehende Röhrenkessel (s. Bd. VII, Abb. 217) der Bauart Kittel mit Überhitzer. Ähnliche Kessel werden in den großen vierachsigen Dampfwagen der britischen und irischen Bahnen benutzt. Die Maschinen haben gewöhnliche Lokomotivbauart. Bei den vierachsigen Dampfwagen der bayerischen Staatsbahnen und vielen britischen und irischen Wagen ist das eine der beiden Drehgestelle durch eine zwei- oder auch dreiachsige Lokomotive ersetzt (Abb. 326). Bei den Dampfwagen der bayerischen Staatseisenbahnen ist besonders ruhiger Lauf durch Anordnung von 2 hintereinander liegenden Zylindern auf jeder Seite, mit gegenläufigen Dampfkolben, erzielt. Andere Dampfwagen, in Großbritannien wie in Italien (italienische Staatsbahn) haben Kessel, die von der Lokomotivbauart abgeleitet sind (Abb. 327 bis 329). Durch Einrichtung von Füllfeuerungen und selbsttätiger Beschickung ist versucht worden, bei Dampfwagen wie auch bei den daraus abgeleiteten kleinen Lokomotiven für leichte Züge einmännige Bedienung zu ermöglichen. Durchführbar ist dies indessen aus Sicherheitsrücksichten nur auf Nebenbahnen und bei sehr geringer Fahrgeschwindigkeit im Zwischenverkehr von Hauptbahnen.

Besondere Erwähnung verdient der Dampftriebwagen mit überhitztem Dampf, Bauart Schmidt, der »Pilatusbahn« (mons pileatus), Schweiz (s. Bd. VIII, Abb. 72).

b) T. mit Verbrennungsmaschinen. Als Brennstoffe kommen nur Flüssigkeiten von hohem Heizwert – je nach der Örtlichkeit – Benzin (Ungarn) oder Benzol, für Dieselmaschinen schwere Öle (Deutschland), Gasolin (Nordamerika) in Frage. Die Triebkraft wird von der Verbrennungsmaschine auf die Triebräder entweder mechanisch oder elektrisch übertragen. Ein wesentlicher Nachteil der mechanischen Übertragung ist das Erfordernis mehrerer veränderlicher Übersetzungsverhältnisse mit den nötigen lösbaren Kupplungen, wenn die Maschinen bei der Fahrt auf Strecken mit wechselnden Neigungsverhältnissen annähernd mit regelmäßiger, wirtschaftlicher Umdrehungsgeschwindigkeit arbeiten sollen. Die Bedienung wird dadurch unbequem, die Vielteiligkeit gibt Anlaß zu Schäden und das Geräusch ist störend. Vereinzelte Versuche mit derartigen, mit 4 verschiedenen Übersetzungen ausgestatteten Wagen (der Daimler-Motoren-Gesellschaft) hatten auf deutschen Bahnen keinen bleibenden Erfolg; länger hat sich ein solcher Wagen bei den »Schweizer Bundesbahnen« behauptet. In größerer Zahl sind T. mit Verbrennungsmaschinen und mechanischer Kraftübertragung nur in Nordamerika, namentlich bei der Union Pacific-Bahn (Omaha) in Betrieb gekommen (s. Bd. IV, Abb. 186). Die Maschinen dieser Wagen arbeiten bei niedrigem Brennstoffpreis (15 Pf/l) mit nur 2 verschiedenen Übersetzungen. Die Kraft wird durch Kettenantrieb und Reibungsräder auf die Triebachse übertragen; die höchste Fahrgeschwindigkeit der ohne Benutzung von Holz gebauten Wagen ist 80 und bis über 100 km/Std. Indessen ist auch in Nordamerika in letzter Zeit ein Versuch (von Thomas) gemacht worden – mittels einer etwas verwickelten Einrichtung – bei Triebwagen mit Verbrennungsmaschinen und mechanischer Kraftübertragung eine günstigere mittlere Umlaufgeschwindigkeit der Verbrennungsmaschine zu erreichen, indem mechanische Kraftübertragung, Stromerzeuger und Stromspeicher wechselweise und z.T. gleichzeitig zum Antrieb benutzt werden. Dieser Versuch beweist, daß auch in Nordamerika die Mängel der mechanischen Kraftübertragung für Wagen mit Verbrennungsmaschinen fühlbar geworden sind.[368]

Elektrische Kraftübertragung wird in Deutschland, Ungarn und Nordamerika bei T. mit Verbrennungsmaschinen erfolgreich angewendet. Der wesentliche Vorzug dieser Anordnung ist der, daß die Verbrennungsmaschine, vom Anfahren abgesehen, stets mit der wirtschaftlichsten regelmäßigen Umdrehungszahl laufen kann, während die Fahrgeschwindigkeit lediglich durch Änderung der Stromspannung geregelt wird. Die entsprechenden Wagen (Bd. IV, Taf. V, Abb. 3) der preußisch-hessischen Staatseisenbahnen – einschließlich 3 Dieselwagen im ganzen 19 Stück – sind vierachsig, letztere fünfachsig und fassen je etwa 90 Reisende; im Bedarfsfalle wird auf einzelnen Strecken ein Anhängwagen – mit 60 Plätzen – mitgenommen. Die mit dem Stromerzeuger von 138 Kilowatt Dauerleistung gekuppelte Verbrennungsmaschine mit 6 paarweise gegeneinander geneigten, oder auch mit 4 senkrecht hintereinander gestellten Zylindern ist auf dem vorderen Drehgestell des Wagens eingebaut. Die Verbrennungsgase werden nach dem rückwärtigen Ende des Wagens abgeleitet. Die hinter- oder nebeneinander schaltbaren elektrischen Triebmaschinen von je 130 PS. Stundenleistung wirken einzeln auf die beiden Achsen des andern Drehgestells. Erregt wird der Stromerzeuger durch einen kleinen Stromspeicher, der auch zur Beleuchtung, Zeichengebung sowie zur Auslösung der Schützensteuerung und des Bremsventils dient. Die höchste Fahrgeschwindigkeit der Wagen ist etwa 70 bis 80 km/Std. Zwei ähnlich gebaute, mit dem Rücken zusammengekuppelte Wagen bilden den Hofzug des Khedive von Ägypten.

Vorzüge der T. mit Verbrennungsmaschinen und elektrischer Kraftübertragung bilden die etwas höhere damit erreichbare Fahrgeschwindigkeit, die Möglichkeit zeitweiliger Überlastung auf starken Steigungen und ihr etwas größerer, ohne Erneuerung des Brennstoffvorrats zu durchlaufender Fahrbereich. Indessen liegt auf deutschen Bahnen selten ein Bedürfnis vor, die höhere Fahrgeschwindigkeit und den größeren Fahrbereich auszunutzen, und die elektrischen Speicherwagen bieten den Gegenvorzug, daß sich bei der Talfahrt auf stark geneigten Strecken ein erheblicher Teil des auf der Bergfahrt verbrauchten Stromes zurückgewinnen läßt.

Mit Dieselwagen sind bei der sächsischen und der preußisch-hessischen Staatseisenbahn – infolge der Beschlagnahme der Öle – noch keine sicheren Betriebsergebnisse erzielt worden.

Dieselwagen mit elektrischer Kraftübertragung sind, im Verhältnis zu der Anzahl Plätze für Reisende, erheblich schwerer als die benzolelektrischen Wagen der preußisch-hessischen Staatseisenbahn infolge des höheren Gewichts[369] und der größeren Rauminanspruchnahme der Maschinenanlage.

T. mit Elektrizitätspeichern (Akkumulatoren). Dem Beispiel der Pfälzischen Eisenbahnen folgend, sind seitens der preußisch-hessischen Staatseisenbahnen im Lauf der letzten 10 Jahre nach und nach bis zu 182 T. mit Elektrizitätsspeichern beschafft worden. Während aber die entsprechenden, bei den pfälzischen Eisenbahnen nur in geringer Zahl benutzten Wagen durch Einbau der Speicher in gewöhnliche Personenwagen hergestellt sind, haben die preußisch-hessischen T. eine ganz neue Bauart erhalten (Bd. IV, Abb. 184), indem die Wagen (als Doppelwagen) aus je 2 kurz gekuppelten dreiachsigen Wagen gebildet und die Speicher in einem durch je 2 Achsen gestützten Vorbau jedes Einzelwagens untergebracht sind, wodurch die Bedienung und Unterhaltung erleichtert und die Belästigung der Reisenden durch Säuredämpfe und Beschmutzung der Kleider verhütet ist. Für besondere Fälle wird ein dritter, nicht mit Antrieb versehener Einzelwagen zwischen die beiden Hälften des Doppelwagens eingestellt und mit diesen durch Kurzkupplung und Obergangsbrücken verbunden. Der elektrische Antrieb dieser Wagen ist ähnlich wie bei den benzol-elektrischen Wagen; bei Speicherwagen für Stromrückgewinnung werden Nebenschlußmaschinen statt der sonst (wie bei Straßenbahnwagen) üblichen Hauptstrom- (Reihenschluß-) Maschinen verwendet. Die Schwierigkeit der Regelung zusammengeschalteter Nebenschlußmaschinen ist dadurch umgangen, daß nur eine solche Maschine für jeden Doppelwagen benutzt wird, unter Verzicht auf die Annehmlichkeiten, die sonst durch Verwendung von 2 wechselweise neben- oder hintereinander zu schaltenden Triebmaschinen für die Regelung der Fahrgeschwindigkeit geboten werden. Versuche mit Verbundwicklung der Triebmaschinen, die wenigstens teilweise die Vorzüge der Reihenschlußmaschinen mit denen der Nebenschlußmaschinen vereinigt, werden vorgenommen. Die meisten preußisch-hessischen Speicherwagen haben Bleispeicher, einige neuere Edisonspeicher (aus vernickeltem Stahl mit Füllung von Kalilauge) erhalten, die teurer sind und geringeren Wirkungsgrad, aber auch weit geringeres Gewicht haben. Die Edisonspeicher sind schon vor 16 Jahren erfunden, aber jetzt angeblich sehr verbessert worden; 1913 waren auf amerikanischen Bahnen etwa 90 T. mit Edisonspeicher neben 230 T. mit Bleispeicher in Benutzung. Im übrigen sind im Ausland bislang nur vereinzelte Versuche mit Speicherwagen gemacht worden.

Die höchste Fahrgeschwindigkeit der preußisch-hessischen Speicherwagen auf wagrechter Strecke ist 50–60 km/Std.; zu einer höheren Fahrgeschwindigkeit liegt bei dem durchweg nur geringen Abstand der Haltestellen im Zwischenverkehr der Hauptstrecken kein Bedürfnis vor. Beim Loslassen der Fahrkurbel kommen die Speicherwagen ebenso wie die benzol-elektrischen Wagen selbsttätig zum Stillstand; nur einmännige Besetzung der Wagen ist indessen bisher nirgend versucht und ist auch auf Hauptstrecken mit einigermaßen dichter Zugfolge sowie auf Nebenbahnen mit großem Stationsabstand kaum zulässig. Der ohne Aufladung der Speicher zu durchlaufende Fahrbereich ist 100, 130 und 180 km bei verschiedenen Wagengruppen; die höheren Werte sind durch die Verwendung größerer Speicherplatten und von Masseplatten statt glatter Platten, auch für den positiven Pol, erreicht. Dreiteilige Wagen mit Edisonspeichern haben einen Fahrbereich von 180 km bei einem Speichergewicht von nur 10∙8 t für den ganzen Wagenzug. Das Netz der von den Speicherwagen regelmäßig bedienten Fahrstrecken ist so dicht, daß solche Wagen in verschiedenen Richtungen den ganzen Bereich der preußischhessischen Staatseisenbahnen durchkreuzen könnten, indem sie immer wieder rechtzeitig eine Ladestelle finden würden.

Verkehrstechnischer und wirtschaftlicher Wert der T. Der Nutzen der T. für den Verkehr auf Nebenbahnen und Vorortstrecken sowie im Zwischenverkehr der Hauptbahnen besteht neben ihrer steten oder doch baldigen Betriebsbereitschaft vornehmlich in der Ersparung an Gewicht und Betriebskosten gegenüber einem Lokomotivzug. Bei den preußisch-hessischen Staatseisenbahnen ist der Personenverkehr auf Nebenstrecken und der Zwischenverkehr auf Hauptstrecken durch Benutzung von T. belebt und wirtschaftlicher gemacht worden; auf gewissen Strecken des Ruhrkohlengebiets wird der gesamte Reiseverkehr durch Speicherwagen bewirkt. Bei den Arader und Csanáder Bahnen ist es unter gleichzeitiger starker Herabsetzung der Beförderungspreise gelungen, den Reiseverkehr durch Übernahme desselben auf benzin-elektrische T., an Stelle der früheren gemischten Lokomotivzüge, erheblich zu steigern und ihn einträglich zu machen, während früher die Ausgaben die Einnahmen überwogen; ähnliche, wenn auch nicht so auffallende Erfolge sind seitens der »Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft« in Königsberg erzielt worden. Auf Vorortstrecken bei London ist seitens der Großen Westbahn ein erheblicher Teil des an Straßenbahnen[370] und Omnibuslinien verlorenen Verkehrs mit Hilfe von Dampftriebwagen zurückgewonnen worden. Elektrische Speicherwagen sind insbesondere angenehm für die Reisenden durch die Ruhe des Laufes und durch ihre Sauberkeit in Ermanglung von Ruß und Rauch. Bedingung für die Wirtschaftlichkeit ihrer Verwendung ist gute Unterhaltung der Speicher und niedriger Strompreis. Die Benutzung der im Straßenbahnbetrieb (Schlieren bei Zürich) schon erprobten Quecksilberdampf-Gleichrichter zum Laden der Speicher an Stelle der sonst benutzten umlaufenden Strom- und Spannungsumformer bietet neue Aussichten für wirtschaftliche Verwertung billigen hochgespannten Drehstroms zum Betrieb von Speicherwagen.

Literatur: Äußere Ansicht: Ztschr. dt. Ing. 1912, H. 10, S. 6; Brosius u. Koch, Schule des Lokomotivführers, Bd. I. – Schnittzeichnung: Heusinger v. Waldegg, Hb. F. spez. Eis.-T., Bd. III, S. 207, Leipzig, Engelmann. – Organ 1849. – Eng. vom 8. Mai 1903 u. 26. Okt. 1906; ähnlich: Ann. f. Gew. u. Bauw. (Berlin) vom 1. April 1914. – Pract. Mech. J. 1848/49, Bd. I, Patentamt London, C 40/848. – Pract. Mech. J. 1868, 3. Serie, Bd. IV, Patentamt London. – Vgl. wegen dieser und der folgenden T. des Verfassers Handbuch über T. für Eisenbahnen (München-Berlin 1908) und Ergänzungsheft 1919 mit Quellen. – A. Sármezey, Motorwagen im Eisenbahnbetrieb. Budapest 1904 (S.-A.d. Ztschr. d. ung. Ing. u. Arch.-Ver.). – Ztschr. dt. Ing. 1912, S. 1678. – Ztg. d. VDEV. 1908, Nr. 82; Mitt. d. Ver. f.d. Ford, d. Lokal- u. Straßenbahnw. Wien 1909, H. 12 u. 1912, H. 10. – Elektr. Kraftbetr. u.B. 1915, S. 326. – Elektr. Kraftbetr. u.B., München-Berlin 1913–1915; Mitt. d. Ver. f.d. Ford. d. Lokal- u. Straßenbahnw. Wien 1907, 1909 ff.; Niederschr. d. Internat. Perman. Straßenb.-Ver. (spät. Straß.- u. Kleinbahnver.) Stockholm 1896; desgl. Int. Eis.-Kongr.-Verb. Washington 1905, Frage XX; Bern 1910, Frage XII. – Spitzer u. Krakauer, Motorwagen und Lokomotive. Wien 1907. – Pascher, Lokalbahnwesen in Österreich. Wien 1904. – v. Stockert, Handbuch des Eisenbahnmaschinenwesens, Bd. I, Berlin 1908; Ztschr. dt. Ing. 1905, S. 1541 ff., 1906, S. 86. – W.R. Rowan, De la traction economique pour tramways. Paris 1891, Baudry & Cie.

C. Guillery.

Abb. 326. Großbritannien.
Abb. 326. Großbritannien.
Abb. 327. Taff Vale.
Abb. 327. Taff Vale.
Abb. 328. Italienische Staatsbahnen.
Abb. 328. Italienische Staatsbahnen.
Abb. 329. Italienische Staatsbahnen.
Abb. 329. Italienische Staatsbahnen.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 9. Berlin, Wien 1921, S. 366-371.
Lizenz:
Faksimiles:
366 | 367 | 368 | 369 | 370 | 371
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Der gute Mond / Er laßt die Hand küssen / Ihr Traum. Drei Erzählungen

Der gute Mond / Er laßt die Hand küssen / Ihr Traum. Drei Erzählungen

Drei Erzählungen aus den »Neuen Dorf- und Schloßgeschichten«, die 1886 erschienen.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon