Gemischte Ehen

[538] Gemischte Ehen sind diejenigen Ehen, bei denen das Glaubensbekenntnis der Ehegatten verschieden ist. Da die Ehe sich als die völlige Gemeinschaft aller Lebensverhältnisse der Ehegatten darstellt, so kann eine Trennung der letztern in religiöser und kirchlicher Beziehung nicht als wünschenswert erscheinen. Die katholische Kirche, von der Auffassung geleitet, daß die Ehe ein Sakrament sei, geht jedoch noch weiter. Sie erklärt die gemischten Ehen für unzulässig, und zwar ist nach katholischem Kirchenrecht die Ehe zwischen Getauften und Ungetauften schlechthin nichtig; diese Religionsverschiedenheit (disparitas cultus) ist ein sogen. trennendes Ehehindernis. Was dagegen die Ehe zwischen Katholiken und den Angehörigen einer andern christlichen Konfession (Akatholiken) anbelangt, so erscheint eine derartige Verschiedenheit der Konfession nur als ein sogen. aufschiebendes Ehehindernis (impedimentum prohibens mixtae religionis), das die trotzdem abgeschlossene Ehe zwar als unerlaubt, aber nicht als ungültig erscheinen läßt. Zum Abschluß einer solchen gemischten Ehe ist die Erteilung von Dispens seitens des Oberhauptes der katholischen Kirche erforderlich, doch sind für Deutschland kraft besonderer Ermächtigung die Bischöfe hierzu befugt; nur wird zuvor das eidliche oder doch feierliche Versprechen des nichtkatholischen Teils, seinen Ehegenossen in der Ausübung seiner Religion nicht beeinträchtigen zu wollen, erfordert sowie das eidliche Gelöbnis beider Teile, die aus der Ehe hervorgehenden Kinder in der katholischen Religion erziehen zu lassen, und neuestens wieder das Versprechen des katholischen Teils, für die Belehrung des akatholischen Teils sein möglichstes tun zu wollen. Werden diese Versprechen nicht gegeben, so tritt nur die sogen. passive Assistenz des katholischen Geistlichen ein, indem er bloß die Konsenserklärung der Brautleute entgegennimmt, ohne den kirchlichen Segen zu erteilen. Im entgegengesetzten Fall kommen dagegen die feierliche Trauung mit Ausnahme der Brautmesse zur Anwendung. In vielen Staaten ist jedoch die Gesetzgebung den Ansprüchen der katholischen Kirche entgegengetreten. So wird es z. B. in Bayern und Österreich der freien Vereinbarung der Ehegatten überlassen, in welcher Konfession die Kinder erzogen werden sollen. Fehlt es an einer solchen Vertragsbestimmung, so sollen die Söhne der Konfession des Vaters, die Töchter dem Glauben der Mutter folgen. In andern Staaten, wie z. B. im Großherzogtum Hessen, im Königreich Sachsen und in Württemberg, ist zwar auch die Vertragsfreiheit anerkannt, doch soll bei mangelnder Vereinbarung der Eheleute eventuell die Konfession, bez. der Wille des Vaters entscheiden. Nach preußischem Recht ist bei gemischten Ehen unbedingt die Konfession des Vaters für die der Kinder maßgebend. Da die Vorschriften über religiöse Kindererziehung vorwiegend dem öffentlichen Recht angehören, hat sie das Bürgerliche Gesetzbuch unberührt gelassen (Art. 134 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch). Vgl. Kahl, Die Konfession der Kinder aus gemischter Ehe (Freiburg 1895). Außerdem wurde in verschiedenen Territorialgesetzgebungen die Ehe zwischen Christen und Juden gestattet, wie sich denn überhaupt im 19. Jahrh. die Ansicht mehr und mehr Bahn brach, daß die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit der Staatsbürger nur dann zur Wahrheit werden könne, wenn die durch die Kirche gezogenen Schranken der freien Eheschließung beseitigt würden. In Deutschland beseitigten das norddeutsche Bundesgesetz vom 4. Mai 1868 über die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung, das auch auf die süddeutschen Staaten ausgedehnt worden ist, und das ebenfalls zum Reichsgesetz erhobene Bundesgesetz vom 3. Juli 1869, betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung, jeden Unterschied, den die Gesetzgebung aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses hergeleitet hatte. Zudem drängte die Opposition, in die sich der römisch-katholische Klerus dem Staat gegenüber gestellt hatte, zu einer vollständigen Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche, und so wurde nach dem Vorgang Preußens durch das Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875 für das Deutsche Reich die obligatorische Zivilehe eingeführt[538] und damit das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit in staatsbürgerlicher Beziehung überhaupt beseitigt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 538-539.
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