Sakramént

[457] Sakramént (lat.), Bezeichnung gewisser wesentlicher Elemente des christlichen Kultus, hinsichtlich deren Zahl, Bedeutung und Wirkung aber die verschiedenen christlichen Konfessionen nicht übereinstimmen. Mit dem Namen S. (in der Vulgata die Übersetzung von Mysterium) wurden im kirchlichen Sprachgebrauch, der uns zuerst bei Tertullian begegnet, die wichtigsten Punkte der christlichen Weltanschauung überhaupt, zumal auch Zeremonien und Weiheakte, insonderheit aber gewisse, nach Analogie der heidnischen Mysterien (s. d.) gestaltete, geheimnisvolle Handlungen, wie Taufe und Abendmahl, bezeichnet, denen man wesenhafte und übernatürliche Wirkungen zur Wiedergeburt und geistlichen Gesundung (so im Abendland), ja zur Auferstehung und Vergottung des Menschen (so in der griechischen Kirche) zuschrieb. Besonders seit dem Streite mit den Montanisten, Novatianern und Donatisten folgte die katholische Kirche dem Trieb, eine das Heil durch die vom Priester gespendeten Sakramente vermittelnde Anstalt zu werden. Besonders seitdem Gregor d. Gr. die Lehren vom Fegfeuer und vom Meßopfer festgestellt hatte, bewegte sich im Grund alles, was von theologischen Fragen die Gläubigen in weitern Kreisen erregte, um die Vorstellungen von den geheimnisvollen Gnadenkräften der Kirche, den Wundern des Sakraments. Aber die Siebenzahl der Sakramente (Taufe, Abendmahl, Buße, Firmung, Ehe, Ordination und Letzte Ölung) wurde erst im 12. Jahrh. festgestellt und der römischkatholische Lehrbegriff der Sakramente besonders von Hugo von Saint-Victor (s. d., Bd. 9) und Petrus Lombardus (s. d.) ausgebildet. Danach sind die Sakramente die von Christus eingesetzten, aus einem sichtbaren Element (materia) und aus rituellen Worten (forma) bestehenden Handlungen, durch die sich wie durch Kanäle die heiligmachende Gnade in den Menschen ergießt; sie wirken ex opere operato, d.h. vermöge eigner, ihnen nicht erst durch die Gesinnung des Empfängers zufließender Kraft, wobei durch jenen Ausdruck zunächst nicht die Notwendigkeit des Glaubens als Bedingung für den Empfang der Wirkung abgelehnt werden sollte, wenn auch später diese Bedingung auf das Nichtvorhandensein eines Hindernisses eingeschränkt wurde. Die Lehre der griechischen Kirche von den Mysterien ist unter dem Einflusse der römischen Sakramentslehre formuliert worden. Der Protestantismus setzte die Zahl der Sakramente auf zwei (Taufe und Abendmahl) herab, lehnte das Opus operatum (s. d.) ab und vertrat die Auffassung, wonach das eigentlich Wirksame beim S. das nur durch gläubiges Vertrauen anzueignende Wort des Evangeliums sei, dessen sinnliche Darstellung das S. bilde, eine prinzipiell neue Auffassung vom S., die freilich nur in der reformierten Kirche rein durchgeführt worden ist. Den Socinianern sind die Sakramente bloße Zeremonien, den Arminianern Bundes zeichen; andre Sekten sprachen ihnen überhaupt jede Bedeutung ab. Vgl. über die Lehre von den Sakramenten der katholischen Kirche die Werke von Oswald (5. Aufl., Münst. 1894, 2 Bde.), Schanz (Freiburg 1893) und Gihr (2. Aufl., das. 1902–03, 2 Bde.); ferner v. Maltzew, Die Sakramente der orthodox-katholischen Kirche des Morgenlandes (Berl. 1898); Kähler, Die Sakramente als Gnadenmittel (Leipz. 1903). – S. des Altars, s. Abendmahl.[457]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 457-458.
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