Petrus

[670] Petrus (griech., »Fels«; aram. Kephas), eigentlich Simon, daher oft vollständig Simon Petrus genannt, der erste Apostel Jesu, Sohn eines gewissen Jonas und Bruder des Apostels Andreas, war Fischer in der Nähe von Kapernaum. Über seine geschichtliche[670] Bedeutung s. Apostel. Sein Charakter schwankte trotz des ihm zugelegten Beinamens zwischen heftiger Entschlossenheit und momentaner Verzagtheit, wie namentlich die Geschichte der Verleugnung beweist. Während er in den echten Briefen des Paulus als »Apostel der Beschneidung« erscheint, läßt ihn die Tradition nicht nur in Pontus, Galatien, Kappadokien, Kleinasien und Bithynien (1. Petr. 1,1), sondern auch in Antiochia, Korinth und ganz besonders in Rom das Evangelium verkündigen, hier mit Simon dem Magier (s. Simon) zusammentreffen und endlich unter Nero mit dem Haupt unterwärts gekreuzigt werden, da er sich für unwürdig hielt, in derselben Weise wie Jesus zu sterben. P. war verheiratet (Luk. 4,38; vgl. Perpetua 1) und wurde von seiner Gattin auf seinen Reisen begleitet. Der römische Aufenthalt des P., der der katholischen Auffassung als feste Tatsache gilt, ist seit den Magdeburger Zenturien von der protestantischen Kritik immer wieder ins Reich der Fabel verwiesen worden (vgl. Lipsius, Die römische Petrussage, Kiel 1871; Zeller, Vorträge und Abhandlungen, 2. Sammlung, Leipz. 1877; Schmiedel in der »Encyclopaedia Biblica«, Bd. 4, Oxf. 1903; Grill, Der Primat des P., Tüb. 1904); dennoch sind zwingende Gründe nicht vorhanden, wenn auch zugegeben werden muß, daß die Wirksamkeit des P. nur kurz und nicht so bedeutend gewesen sein kann, wie die katholische Tradition annimmt, die in ihm den ersten Bischof von Rom (42–67) sieht. Die Kirche feiert sein Gedächtnis gemeinsam mit dem des Apostels Paulus 29. Juni (Peter- und Paulstag, s. d.), 18. Januar (Petri Stuhlfeier, s. d.) und 1. August (Petri Kettenfeier, s. d.). Der Name des P. schmückt mehrere Produkte der urkirchlichen Literatur: 1) die zwei in das Neue Testament aufgenommenen Briefe (s. Petrusbriefe); 2) das sogen. KerygmaPredigt«) des P., eine propagandistische Schrift des beginnenden 2. Jahrh. (vgl. v. Dobschütz, »Das Kerygma Petri«, Leipz. 1893); 3) das Petrusevangelium (s. d.); 4) die Petrusapokalypse (s. d.); 5) die Petrusakten (s. d.). Vgl. die Werke zur Geschichte des apostolischen Zeitalters, besonders von Weizsäcker (2. Aufl., Freiburg 1892). Neuere katholische Darstellungen: Henriot, Saint Pierre, son apostolat, son pontificat, son épiscopat (Par. 1891); Esser, Der heilige Apostel P. (1902); Fillion, Saint Pierre (das. 1906). – In der bildenden Kunst wird P. gewöhnlich mit den zwei ihm nach der Tradition der katholischen Kirche von Christus übergebenen Schlüsseln dargestellt, welche die Macht der Kirche, zu binden und zu lösen (Schlüsselgewalt), symbolisieren. Die Übergabe der Schlüssel haben Perugino in einem Fresko der Sixtinischen Kapelle und Raffael auf einem der Kartons (im Kensington-Museum zu London) dargestellt, nach denen die Teppiche für die Sixtinische Kapelle gewebt worden sind. Bisweilen erscheint P. auch mit einem Fisch in der Hand, in Anspielung auf sein Gewerbe vor seiner Berufung zum Apostelamt. Die Erzstatue des P. in der Peterskirche zu Rom, die früher für eins seiner ältesten Bilder galt (s. Tafel »Bildhauerkunst VII«, Fig. 6), ist durch die neueste Forschung als ein Werk des 13. Jahrh. erkannt worden. Eine kolossale Bronzestatue des P. steht seit 1587 auf der Trajanssäule, eine zweite auf der 1885 zur Erinnerung an das Konzil von 1870 errichteten Säule im Giardino della Pigna des Vatikans zu Rom. Der Gang des P. über das Meer bildet den Inhalt des unter dem Namen Navicella bekannten Mosaiks von Giotto in der Vorhalle der Peterskirche. Die Gefangenschaft und die Befreiung des P. aus dem Kerker hat unter andern Raffael in einem Fresko in den Stanzen des Vatikans, seine Kreuzigung haben unter andern G. Reni in einem Gemälde der Galerie des Vatikans und Rubens in dem Altarbild für die Peterskirche in Köln dargestellt. In den zahlreichen Apostelbildern, die im 15., 16. u. 17. Jahrh. als Andachtsbilder durch Holzschnitt und Kupferstich verbreitet worden sind, erscheint P. fast immer mit den Schlüsseln. Zu einem großartigen Charakterbild haben ihn besonders Dürer in dem Doppelbilde der vier Apostel in der Münchener Pinakothek und Palma il Vecchio in dem Altargemälde des thronenden P. in der Akademie zu Venedig gestaltet. Auch kommt P. stets auf den Darstellungen des Abendmahls, der Ausgießung des Heiligen Geistes, des Todes und der Himmelfahrt Mariä vor.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 670-671.
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