Primāt

[345] Primāt (lat. primatus), nach der Lehre der katholischen Kirche die oberste Kirchengewalt, die von Christus dem Petrus als seinem Statthalter auf Erden übertragen wurde und die in Nachfolge des Petrus dem Papst als sichtbarem Oberhaupt der Kirche zukommt. Man unterscheidet den primatus jurisdictionis, d. h. das Leitungs- und Oberaufsichtsrecht über die ganze Kirche, und den primatus honoris, d. h. die Ehrenrechte des Papstes. Der alte Streit über das Verhältnis der Primatial- und Episkopalgewalt und den Inhalt des primatus jurisdictionis (s. Kirchenpolitik, Episkopalsystem, Papalsystem) ist durch das vatikanische Konzil (868), das dem Papst die Infallibilität (s. d.) und den Universalepiskopat zusprach, im Sinn des Papalsystems erledigt worden. Im einzelnen kommt dem Papst zu das Recht der Gesetzgebung, der Verwaltung und Mitwirkung bei allen Angelegenheiten, welche die ganze Kirche angehen, wie Berufung der allgemeinen Konzile, Anordnung oder Aufhebung allgemeiner Festtage, Leitung des Missionswesens, Selig- und Heiligsprechungen, Bestätigung der geistlichen Orden und der höhern kirchlichen Lehranstalten, ferner das Aufsichtsrecht über die andern obern Kirchenbeamten und das Recht, in höchster Instanz über vorgebrachte Beschwerden und Appellationen zu entscheiden, die Bestätigung, Versetzung und Absetzung der Bischöfe, die Errichtung, Verlegung, Vereinigung und Teilung der Bistümer, Absolutionen und Dispensationen. Zum primatus honoris gehören der Thron und die Tiara (s. d.), der Fischerring (s. d.) und der gerade Hirtenstab mit Kreuz, der weißseidene Talar und das Pallium (s. d.), die Huldigung mit dem Fußkuß (s. d.), die Anrede »Sanctissime Pater« (Heiligster Vater) oder »Sanctitas vestra« (Ew. Heiligkeit), während sich der Papst selbst »Servus servorum dei« (Knecht der Knechte Gottes) nennt. Von den völkerrechtlichen Ehrenrechten ist nach der Einverleibung des Kirchenstaates dem Papste vorzüglich das aktive und passive Gesandtschaftsrecht geblieben (vgl. Garantiegesetz).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 345.
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