Vulgāta

[273] Vulgāta (sc. versio, lat.), die in der römisch-kath. Kirche als authentisch geltende lateinische Übersetzung der Bibel. Ihr voran gingen ältere lateinische Übersetzungen, die sogen. Itala, deren Verschiedenheiten den Papst Damasus veranlaßten, dem Hieronymus (s. d.) eine Revision zu übertragen. Er berichtigte 38 3/384 die Evangelien und wohl auch das übrige Neue Testament und übersetzte später das Alte Testament nach dem Grundtext; vom Psalter blieb die ältere Übersetzung in durchgesehener, von Baruch, Weisheit, Ekklesiastikus und Makkabäer in ungeänderter Form in Gebrauch. Allmählich erhielt die Arbeit des Hieronymus vor allen übrigen lateinischen Übersetzungen den Vorzug und daher den Namen Versio vulgata oder communis. Aber auch sie unterlag fortgehender Textverderbnis, daher schon Karl d. Gr. Alkuin mit ihrer Verbesserung beauftragte und im 13. Jahrh. die Correctoria biblica entstanden, bis sich wesentlich durch die Pariser Universität ein Durchschnittstext festsetzte, der in die ältesten Druckausgaben überging (vgl. über sie Copinger, Incunabula biblica, Lond. 1892, und über die erste, die sogen. Mazarinbibel, das Faksimile zum Artikel »Buchdruckerkunst«). Nachdem das Trienter Konzil 1546 die V. für die authentische Übersetzung erklärt, veröffentlichte Papst Sixtus V. nach dem Vorgang von R. Stephanus (Par. 1540) und J. Henten (Löwen 1547 und 1583) Rom 1590 eine Ausgabe, die für alle Zeit die allein gültige sein sollte, aber schon 1592 unter Clemens VIII. durch eine neue mit dem alten Titel (Biblia Sacra Vulgatae Editionis Sixti V.jussu recognita et edita) ersetzt wurde, von der 1593 und 1598 zwei weitere offizielle Ausgaben erschienen. Von den spätern sind am wichtigsten die von P. Sabatier (Par. 1751, 3 Bde., mit den Resten der Itala), van Eß (Tübing. 1822–1824), Vercellone (Rom 1861; von ihm auch Variae Lectiones, 1864), M. Hetzenauer (Innsbr. 1906); für das Alte Testament die von Heyse-Tischendorf (Leipz. 1873). Die erste kritische Ausgabe in großem Maßstab begannen Wordsworth und White für das Neue Testament (Bd. 1, Oxford 1839–98; Bd. 2, 1. Heft, 1905); eine Handausgabe mit kleinem kritischen Apparat von E. Nestle (Stuttg. 1906). Allerneuestens hat Papst Pius X. die Benediktiner mit einer vollständigen Revision beauftragt (Schreiben des Kardinals Rampolla an Pater Hemptinne im »Osservatore Romano«[273] vom 25. Mai 1907). Vgl. F. H. de Bukentop, Lux de Luce (Brüssel 1710); van Eß, Pragmatische Geschichte der V. (Tübing. 1824); Kaulen, Geschichte der V. (Mainz 1869) und Sprachliches Handbuch zur biblischen V. (2. Aufl., Freiburg 1904); Rönsch, Itala und V. (2. Aufl., Marb. 1875); S. Berger, Histoire de la V. pendant les premiers siècles du moyen-âge (Par. 1893); v. Dobschütz, Studien zur Textkritik der V. (Leipz. 1894); P. Corssen im »Jahresbericht der klassischen Altertumswissenschaft« (Bd. 101,1899); die enzyklopädischen Werke von Wetzer und Welte, Herzog-Hauck (s. Theologie, S. 470), HastingsDictionary of the Bible«, Edinb. 1898–1904, 5 Bde.), Cheyne-BlackEncyclopaedia biblica«, Lond. 1899 bis 1904, 4 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 273-274.
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