Kranlokomotiven

[455] Kranlokomotiven (crane locomotives; locomotives grue; locomotive a gru) sind meist B1-Verschublokomotiven, die mit einem durch Dampf betriebenen Drehkran ausgerüstet sind, um sowohl den Verschubdienst, als auch das Auf- und Abladen von Eisenbahnwagen an beliebiger Stelle besorgen zu können. Auch bei Eisenbahnunfällen in geringer Entfernung von der Domizilstation der K. sind sie zweckmäßig verwendbar. Ihr Leistungsbereich ist durch das Lichtraumprofil und die Spurweite beschränkt. Erstere begrenzt die Hubhöhe auf etwa 4 m, falls die Lokomotive freizügig bleiben soll. Letztere beschränkt die Tragkraft; da in der Regel das Eigengewicht der Lokomotive allein ohne Gegengewicht das Kippmoment aufnehmen soll (die Schienenzangen dienen bloß zur Sicherung), ist bei Vollspur und Lokomotivgewichten in üblicher Größe bis zu 36 t das Standmoment mit erschöpften Vorräten zu 32 t × 0∙71 m = 22∙7 mt gegeben; das zur Sicherheit ca. 90% bemessene Hubmoment darf also nur 20∙6 mt betragen. Man erhält somit bei günstigster Anlage des Kranes mit Drehzapfen am Maschinenende und einer größten Ausladung von 5–7 m eine Tragkraft von 4–2∙6 t. Größere Ausladungen innerhalb des Lichtraumprofiles bedingen das ständige Beigeben eines Schutzwagens, unter gleichzeitiger Verminderung der Last. Man hat daher auch Krane mit mehreren[455] Haken am Ausleger ausgeführt, um jeweilig die größte zulässige Last anheben zu können. Die kleineren Spurweiten vermindern beträchtlich das Standmoment, so daß gleich schwere K. bei abnehmender Spurweite bedeutend weniger Hublast gestatten. Die Tragfedern müssen für die resultierende Kraft aus Belastung und Kippmoment berechnet werden, sind daher bedeutend stärker als üblich und beim normalen Fahren härter, d.h. sie zeigen nur eine geringe Einsenkung. Um dies zu vermeiden, hat man vereinzelt mit Dampf vom Führerstande gesteuerte Einschubkeile zwischen Achslager und Rahmen zwecks Aufhebung des Federspieles angeordnet. Meist sind die K. gefeuerte Dampflokomotiven, seltener feuerlose Heißwasserlokomotiven oder elektrische Lokomotiven, letztere mit Akkumulatoren, da die Stromzuführung durch die Oberleitung für die Verwendung des Kranes hinderlich ist.

Für minder häufigen Gebrauch hat man auch bei geringeren Lasten von Hand betriebene Krane aufgebaut.

Die konstruktive Durchbildung sei an 2 Ausführungen gezeigt. Die B-Type (Abb. 250), gebaut von der Maschinenfabrik Esslingen für die Firma Krupp in Essen, trägt den Kran in Kesselmitte bzw. Radstandmitte; sie ragt mit ihrem Ausleger über das Lichtraumprofil, bedarf daher keines Schutzwagens. Der Ausleger ist in den Hauptschildern in vertikalem Sinne um einen Zapfen drehbar angeordnet, so daß derselbe für den Transport in die Grenzen des Lichtraumprofils herabgesenkt werden kann. Die Lokomotive ist von der meist üblichen Bauart mit Krausschen Kastenrahmen, der zugleich die Wasservorräte enthält und außenliegender Allansteuerung. Die Tragkraft des Kranes beträgt 3000 kg, die Ausladung 4∙25 m. Der Antrieb des Hubwerkes erfolgt durch eine Zwillingsdampfmaschine mit mehrfachem Rädervorgelege, die Drehbewegung durch eine andere kleine Dampfmaschine mittels Schneckenradantriebes. Die Dampfzuführung liegt in der Kranachse, das Gegengewicht des Auslegers schwingt über das Führerhausdach. Die Schienen[456] zangen sind aus der Abb. 250 ersichtlich, worunter auch die Hauptabmessungen angegeben sind.

Die in Abb. 251 dargestellte B1-K. zeigt die neueste Bauart. Sie wurde von der Maschinenfabrik der öst.-ung. Staatseisenbahngesellschaft in Wien für die Eisenwerke in Reschitza mehrfach geliefert. Die Lokomotive hat 2 gekuppelte Achsen, außenliegende Stephensonsteuerung und teils seitlich, teils innerhalb des Rahmens liegende Wasserkasten. Die hintere Schleppachse ist nach Bauart Adams radial einstellbar, so daß die Lokomotive die schärfsten Gleisbogen bis 90 m Halbmesser in den Hüttenwerken befahren kann. Das Krangerüst liegt hinter dem Kessel über der Schleppachse, gewährt daher die größtmögliche Ausladung innerhalb des Lichtraumprofiles. Der Antrieb des Kranes erfolgt durch eine 50 PS.-Zwillingsdampfmaschine, deren schräg nach abwärts gerichtete Dampfzylinder unterhalb des Führerhauses ersichtlich sind. Vermittels eines Vorgeleges innerhalb der durch ein Gegengewicht ausgeglichenen Kransäule wird durch ein 15 mm starkes Drahtseil über eine lose Rolle die Last aufgehoben und durch eine Bandbremse gehalten bzw. herabgelassen. Das Schwenken erfolgt durch dieselbe Dampfmaschine mittels einer Reibungskupplung und Schneckenrad in beiden Richtungen frei herum. In der Mittelstellung wird der Ausleger durch eine Sperrklinke gesichert. Die Hubgeschwindigkeit beträgt 0∙158 m/Sek., das Schwenken erfolgt in 24 Sekunden. Der Abdampf der Maschine entweicht beim Schornstein ins Freie. Diese Anordnung hat den Vorteil leichter Zugänglichkeit der Dampfmaschine mit Hinwegfall aller beweglichen Dampfrohre, sowie die leichte Zugänglichkeit des Vorgeleges und der Kupplungen im Auslegerarm durch die Steigleiter am Führerhause.

Bei den K. der Firma Borsig1 ist das Krangerüst über der Feuerbüchse mit 2 getrennten Zwillingsdampfmaschinen angeordnet, also weniger günstig und vielteiliger.

Steffan.

Abb. 250. Kratenderlokomotive für die Firma Krupp in Essen, gebaut von der Maschinenfabrik Eßlingen, Württemberg.
Abb. 250. Kratenderlokomotive für die Firma Krupp in Essen, gebaut von der Maschinenfabrik Eßlingen, Württemberg.
Abb. 251. Kratenderlokomotive der Eisenwerke in Reschitza, gebaut von der Maschinenfabrik der Staatseisenbahngesellschaft in Wien.
Abb. 251. Kratenderlokomotive der Eisenwerke in Reschitza, gebaut von der Maschinenfabrik der Staatseisenbahngesellschaft in Wien.
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Siehe »Die Lokomotive«, Jahrg. 1906, S. 171 mit 4 Abb.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 455-457.
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