Fünfstimmig

[411] Fünfstimmig. (Musik)

So wird ein Tonstük genennt, welches aus fünf verschiedenen Parthien oder Stimmen besteht, in welchem also eine der so genannten Hauptstimmen doppelt ist, oder zwey Melodien hat, wie wenn zu einem Baß, einem Tenor und einem Alt, zwey verschiedene Discante sind.

Beym fünfstimmigen Satz müssen also zu jedem Grund- oder Baßton in den obern Stimmen noch vier andre Töne genommen werden. Da aber der vollständige Dreyklang nur aus Terz, Quinte und Octave besteht1, beym fünfstimmigen Satz aber noch ein vierter Ton hinzukommen muß, so muß dieser entweder eine Dißonanz seyn, oder man muß eine von den Consonanzen verdoppeln. Wie bey ganz consonirenden Sätzen die Octave, oder die Terz, oder die Quinte, oder die Sexte zu verdoppeln seyen, ist aus folgenden Beyspielen zu sehen.

Fünfstimmig
Fünfstimmig

[411] Bey Verdoppelung einer Consonanz hat man darauf zu sehen, daß die Terz niemals weggelassen werde, weil sie bey jedem Accord nöthig ist. Am besten thut man, daß man die Octave verdoppele; wo dieses nicht angeht, die Quinte; ohne Noth aber muß man die Terz, zumal die große, nicht verdoppeln. Aus diesem Grunde hat man in dem mit* bezeichneten Accord2 die Octave ganz weggelassen, weil der Baßton die große Terz des eigentlichen Grundtones C ist, die sich nicht leicht verdoppeln läßt. Bey dißonirenden Accorden kann die Dißonanz nicht verdoppelt werden, weil offenbar bey den Auflösungen derselben Octaven entstühnden. Man verdoppelt also allemal eine der Consonanzen; nur muß man bey den Vorhalten die Consonanz nicht verdoppeln, die einen Vorhalt hat; also beym Nonen-Accord die Quinte, wie hier.

Fünfstimmig

Der fünfstimmige Satz muß überhaupt eben so rein, als der vierstimmige seyn; nur in den Mittelstimmen vermeidet man Quinten und Octaven nicht mit der genauen Sorgfalt, wie im drey- und vierstimmigen Satz. Die äußerste Stimme aber muß gegen den Baß auch hier vollkommen rein seyn.

1S. Dreyklang.
2Auf der vorhergehenden Seite.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 411-412.
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