Fuß (Baukunst)

[413] Fuß. (Baukunst)

Derjenige Theil eines stehenden Körpers, mit welchem er auf den Grund, der ihn trägt, aufsteht. Jeder stehende Körper, der das Ansehen eines Ganzen haben soll, muß einen von seinen übrigen Theilen unterschiedenen Fuß haben, damit man deutlich bemerken könne, daß ihm von unten zu nichts fehle, und daß er ganz sey. Eine Säule, deren Schaft [413] ohne Fuß auf dem Grunde steht, sieht wie ein abgebrochenes Stük aus; ein Haus, das gegen den Grund keinen Fuß hat, wie wenn es in die Erde gesunken wäre. Es ist deswegen zum guten Aussehen unumgänglich nothwendig, daß ein stehender Körper einen Fuß habe, und man kann es durch keine einzige gute Regel des Geschmaks rechtfertigen, daß die griechischen Baumeister bisweilen dorische Säulen ohne Fuß gemacht haben, wie an den Tempeln des Theseus und der Minerva in Athen.

Die allgemeine Beschaffenheit des Fußes an stehenden Körpern kann aus dem Grundsatz der Festigkeit hergeleitet werden. Wenn der Fuß etwas hervorsteht, und dem stehenden Körper eine etwas breitere Grundfläche macht, so steht dieser fester. Folglich ist es in der Natur unsrer Vorstellungen gegründet, daß der Fuß etwas breiter, als der über ihm stehende Theil des Körpers sey, daher kommen an den Häusern die Plinthen, an den Säulen und Pfeilern die Fußgesimse. Die Natur hat schon die ersten Baumeister darauf geleitet. Man findet die Füße in den ältesten ägyptischen, in den gothischen, arabischen und chinesischen Gebäuden.

Es müssen aber, so wol in der Höhe des Fußes als in seiner Ausladung, gewisse Verhältnisse beobachtet werden. Es muß da weder zu viel, noch zu wenig seyn. Wäre der Fuß so groß, daß er einen merklichen Theil des Körpers, den vierten oder fünften Theil seiner Höhe einnähme, so würde man ihn nicht blos für den Fuß halten; denn der Kopf und der Fuß zusammen müssen blos, als kleine Theile eines großen Körpers erscheinen. Derowegen können beyde zusammen in ihrer Höhe nicht wol mehr als den fünften Theil der ganzen Höhe ausmachen; da sie aber beyde noch eine merkliche Stärke haben müssen, so müssen sie auch nicht so klein seyn, daß ihre Höhe vor der ganzen Höhe des Körpers unbemerkt verschwinde, welches vielleicht geschehen würde, wenn beyde weniger, als den 12. Theil des ganzen Körpers ausmachten.

Es erhellet hieraus, daß man dem Fuß nicht wol mehr, als den 10. oder 12. Theil der Höhe des Körpers, und nicht wol weniger, als den 20. oder 24. Theil derselben geben könne. In den Säulen, wo man am meisten auf ein mit hinlänglicher Festigkeit verbundenes schönes Ansehen beflissen gewesen, trift man die größten Füße nicht über den 14. Theil, und ihr geringstes Maaß nicht über den 20. Theil der ganzen Länge an. Ihre Ausladung aber kann aus der Höhe bestimmt werden. Wenn sie zu gering ist, so bemerkt man sie kaum; zu stark giebt sie das Ansehen der Zerbrechlichkeit. Der fünfte bis sechste Theil seiner Höhe scheinet die beste Größe der Ausladung zu seyn. Die Säulenstühle haben größere Füße; denn sie machen oft den vierten oder fünften Theil der Höhe aus. Allein man kann diese Füße zugleich für die Füße der ganzen Ordnung halten. Bey einem ganzen Gebäude kann der Untersatz oder die Plinthe nicht wol kleiner, als der 20. Theil der Höhe seyn.

Wenn ein Fuß ganz platt ist, so wird er die Plinthe genennt; ist er aber mit Gliedern verziert, so werden diese zusammen das Fußgesims genennt.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 413-414.
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