Krinnen

[607] Krinnen. (Baukunst)

Schmale halbcylindrische Vertiefungen des Säulenstammes, die senkrecht von dem Ablauf des Stammes bis an den Anlauf herunter gehen. Man nennet sie insgemein auch in Deutschland mit dem französischen Namen Canelüren. Winkelman nennet sie unrichtig Streifen1, weil dieses Wort immer einen Ring bedeutet, der um einen runden Körper gelegt ist.

Man findet die Krinnen schon an den ältesten dorischen Säulen, denen sie anfänglich eigen gewesen zu seyn scheinen. Man hat sie aber hernach auch an andern Säulen angebracht. Es ist ein seltsamer Einfall des Vitruvius, daß sie Falten vorstellen sollen; da man nicht absehen kann, warum die Säulen mit einen Gewand sollten behangen werden. Sie geben dem Säulenstamm ein zierliches Ansehen, und vermehren das Gefühl des Reichthums. Die Anzahl der Krinnen um den Stamm herum beläuft sich insgemein von vier und zwanzig bis auf dreißig, und der Steg, oder das Glatte des Stammes zwischen [607] zwey Krinnen, wird ohngefehr den vierten Theil so breit gelassen, als die Breite einer Krinne beträgt, welche dadurch ohngefehr auf den fünften Theil eines Models bestimmt wird. Man kann die Aushölung nach einem halben oder kleinern Zirkelbogen machen. Es ist kaum der Mühe werth, hier Regeln zu geben. Nur muß man nicht, wie einige italiänische Baumeister in dorischen Ordnung thun, die Krinnen ohne Saum oder Steg an einander laufen lassen. Auch nicht wie einige französische Baumeister gethan, an dem untersten Drittel des Stammes die Krinnen mit runden Stäben ausfüllen. Alles dieses scheint dem guten Geschmak entgegen zu seyn.

1Von der Baukunst der Alten S. 21.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 607-608.
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