Model

[771] Model. (Baukunst)

Die Einheit, nach welcher in der Baukunst die verhältnißmäßige Größe, jedes zur Verziehrung dienenden Theiles, bestimmt wird. Indem der Baumeister den Aufriß gewisser Gebäude zeichnet, mißt er die Theile nicht nach der absoluten Größe in Fußmaaß, sondern blos nach der verhältnißmäßigen, in Modeln und dessen kleinern Theilen. Der Model ist nämlich keine bestimmte Größe, wie ein Fuß, oder eine Elle, sondern unbestimmt, die ganze oder halbe Dike einer Säule. Ist die Säule sehr hoch, und folglich auch sehr dik, so ist der Model groß, ist die Säule klein, so wird auch der Model klein.

Vitruvius, und seinem Beyspiel zufolge Palladio, Serlio und Skammozzi nehmen überall die ganze Dike der Säule, nur in der dorischen Ordnung nehmen die drey ersten die halbe Säulendike zum Model an. Wir haben, nach dem Beyspiel vieler andrer, die halbe Säulendike durchaus zum Model angenommen.

Da in jedem Gebäude Theile vorkommen, deren Größe weit unter dem Model ist, so muß dieser in kleinere Theile eingetheilt werden. Die meisten Baumeister theilen ihn in 30 Theile ein, die sie Minuten[771] nennen: wir folgen dem Goldmann, der den Model in 360 Theile eintheilt. Nach diesen Erläuterungen müssen alle Bestimmungen der Verhältnisse verstanden werden, welche in den die Baukunst betreffenden Artikeln dieses Werks, vorkommen.

Der Baumeister, welcher einen Plan macht, hat zwey Maaßstäbe, nach denen er sich richten muß, den welcher die absoluten Größen angiebt, und der folglich nach Ruthen, Fuß und Zoll eingetheilt ist, und denn den, wodurch er die Verhältnisse bestimmt, und der nach Modeln und dessen Theilen abgetheilt ist. Er muß also wissen, den Modelmaaßstab mit dem andern zu vergleichen. Gesezt, es wär einem aufgegeben, ein Gebäude von jonischer Art aufzuführen: der Plaz, den es einnehmen soll, wird ihm gezeiget; er mißt denselben nach Ruthen und Fuß aus. Aus der Größe dieses Plazes, wird auch die Höhe des Gebäudes, von ihm dergestalt bestimmt, daß es nach Maaßgebung seines Gebrauchs und des Plazes, den es einnihmt, wol proportionirt werde: die Höhe wird also zuerst nach Ruthen- und Fußmaaß bestimmt, und daraus muß hernach die Größe des Models hergeleitet werden.

Man nehme an, der Baumeister habe gefunden, daß sein Gebäude von einer durchgehenden jonischen Ordnung, von der Erde bis oben an dem Kranz 60 Fuß hoch seyn müsse. Um nun die Zeichnung machen zu können, muß er nothwendig einen Maßstab nach Modeln haben, folglich muß er wissen, wieviel Fuß und Zoll der Model sey. Er weiß, daß die ganze Ordnung vom Fuß der Säule bis oben an den Kranz 21 Model seyn muß,1 mithin müssen 60 Fuß 21 Model geben, wenn nämlich die Säulen mit ihren Füßen gerade auf dem Boden stehen. In diesem Fall also nimmt man den 21 sten Theil von 60 Fuß, das ist, 2 Fuß 10 Zoll 3 9/21 Lin. für den Model. Hieraus ist offenbar, wie in andern Fällen zu verfahren wäre.

Wollte man dem Gebäude einen durchlaufenden Fuß von 6 Fuß hoch geben, und die Säulen erst auf diesen Fuß stellen; so würde die Säulenordnung nur noch 54 Fuß hoch werden; mithin wäre alsdenn der Model nur der 21ste Theil von 54 Fuß oder 2 Fuß 5 5/9 Zoll. Wollte man noch überdem die Säulen auf Säulenstühle stellen, und diesen 4 Model geben; so ist klar, daß die ganze Höhe der Ordnung alsdenn von 25 Modeln müßte genommen werden. Mithin wäre in diesem Fall ein Model der 25ste Theil von 60 oder von 54 Fuß.

Vignola, der jeder Säulenordnung ihre eigene Höhe giebt, findet den Model auf folgende Weise. Er theilt die ganze Höhe in 19 Theile. Davon nimmt er 4 Theile zum Postament, 3 zum Gebälke und die übrigen 12 für die Säule. Will man kein Postament haben, so wird die ganze Höhe in fünf Theile getheilt, davon einer zum Gebälke und vier zur Säule gerechnet werden. Wobey aber offenbar ist, daß das Verhältnis des Gebälkes zur Säule in den zwey Fällen nicht dasselbe bleibet.

Dieses gilt nur von den Gebäuden, von einer einzigen durchgehenden Ordnung. Sollen zwey oder mehr Ordnungen auf einander kommen, so hat nothwendig jede Ordnung ihren besondern Model. In zwey auf einanderstehenden Ordnungen, muß der Model der obern, zu dem Model der untern, auf welcher jene steht, sich verhalten, wie die Dike des untern Stammes zu der Dike des eingezogenen Stammes.2 Alsdenn wird die Berechnung des Models etwas schwerer. Ein Beyspiel aber kann hinlänglich seyn, die Art dieser Berechnung zu lehren.

Laßt uns sezen, es müsse ein Gebäude 100 Fuß hoch, von zwey übereinanderstehenden Ordnungen einer niedrigen und einer hohen aufgeführt werden, und die Säulen sollen auf Postamenter von vier Modeln kommen. Auf diese Art wird die ganze Höhe der untern niedrigen Ordnung 24 Model, der höhern aber 28 Model seyn.3 Mithin müssen die 24 Model der niedrigen und die 28 Model der höhern Ordnung hundert Fuß ausmachen. Allein dabey muß auch diese Bedingniß statt haben, daß die obern Model zu dem untern sich verhalte, wie 4 zu 5. Denn so verhält sich die untere Dike der niedrigen Säule zu der obern Dike. Wenn man also für den untern Model x sezet, und für den obern y so müssen diese beyde Bedingnisse erfüllt werden:

1. daß x : y = 5 : 4.

2. daß 24x + 28y = 100.

Daher findet man x oder den untern Model 29/58 Fuß; den obern aber 1 Fuß und 21/29. Diesemnach würde das untere Geschoß 24 Mal 29/58, oder 5121/29 Fuß, das Obere 488/26 Fuß hoch werden.

Wiewol der Model keine bestimmte Größe hat, so hat man doch noch kein so großes Gebäude gesehen, dessen Model über vier Fuß, noch ein so kleines, [772] dessen Model unter einem Fuß gewesen wäre. Außer dem Model, wodurch die Verhältnisse der Haupttheile bestimmt werden, giebt es noch einen andern, der blos zur Verziehrung der Thüren und Fenster gebraucht wird. Sind an diesen Oefnungen Säulen, so wird der Model, so wie der Hauptmodel nach der Säulendike genommen. Werden aber diese Oefnungen blos mit Einfassungen verziehret, so kann füglich die Höhe des Gesimses zum Model genommen werden.

1S. Säulenordnung.
2S. Ueberstellung.
3S. Säulenordnung.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 771-773.
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