Oefnungen

[840] Oefnungen. (Baukunst)

Unter dieser allgemeinen Benennung begreifen wir Portale, Thüren und Fenster der Gebäude. Sie dienen blos zur Nothdurft und Beqäumlichkeit; weil sie aber an den Außenseiten, besonders nach der heutigen Bauart sehr ins Auge fallen, und als Theile erscheinen, deren Menge, Stellung, Größe, Form und Verziehrung, einen beträchtlichen Einfluß auf das gute oder schlechte Ansehen der Gebäude hat, so ist sehr nöthig, daß dabey alles mit guter Ueberlegung und Geschmak angeordnet werde.

In Ansehung der Menge der Oefnungen erfodert der gute Geschmak, daß eine Außenseite nicht mehr leeres, als volles, oder nicht mehr Oefnungen, als [840] feste Theile habe, damit nicht das Gebäude das Ansehen der Festigkeit verliere, und wie eine Laterne aussehe. Es fällt allemal besser ins Aug, wenn man mehr Mauer, als Oefnungen sieht. Die Austheilung der Oefnungen muß nach den Regeln der Symmetrie geschehen; einzele, als Thüren, oder Portale, kommen in die Mitte, die gleichen, auf ähnliche Stellen. Nothwendig ist es, daß übereinanderstehende Oefnungen, wie die Fenster mehrer Geschosse, auf das genaueste über einander, und die in einem Geschoß, genau in einer wagerechten Linie neben einander, gestellt seyen.

Ihre Form ist am gefälligsten, wenn sie vierekigt, und wenn die Höhe das doppelte Maaß der Breite hat. Oefnungen mit Bogen geschlossen, sollten nirgend seyn, als wo sie der Wölbung halber nothwendig sind. Ein feines Aug wird durch Fenster mit rundem Sturz, zumal wenn er einen vollen Bogen macht, allemal beleidiget, und diese Rundungen verursachen gegen die an einem Gebäude überall sich durchkreuzenden geraden Linien allemal unangenehme spize Winkel. Noch mehr wird das Aug beleidiget, wenn mitten in einer Reyhe vierekichter Oefnungen eine mit einem runden Sturz steht, wie in den meisten neuern Wohnhäusern in Berlin, da die Hausthüren zwischen vierekichten Fenstern, rund sind. Dadurch wird die Thür niedriger oder höher, als die Fenster, welches ungemein beleidigend ist.

Höchst nothwendig ist es, daß jede Oefnung ihre wol in die Augen fallende Einfassung habe, damit sie als etwas überlegtes und richtig abgemessenes erscheine. Denn ohne Einfassung ist sie wie ein Loch, das grösser oder kleiner kann gemacht werden: die Einfassung aber zeiget, daß die Oefnung etwas vollendetes und Ganzes sey.1 Von der Art der Einfassung ist in andern Artikeln gesprochen worden.2 Ueberhaupt ist das Einfache hiebey dem reichen und verziehrten vorzuziehen. Thüren und Fenster mit Giebeln haben allemal etwas unangenehmes, und machen an den Außenseiten eine Menge unangenehmer Winkel.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 840-841.
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