[1112] Stimmen. Stimmung. (Musik)
Von der richtigen Stimmung der Instrumente hängt bey der Aufführung der Tonstüke die Reinigkeit der Harmonie, folglich ein beträchtlicher Theil der guten Würkung eines Stüks ab. Wir haben deswegen für nöthig erachtet, in diesem Artikel das was zur richtigen Stimmung der verschiedenen Instrumente gehört, ausführlich vorzutragen.
Zuerst wird in jedem Instrument ein Ton festgesezet, mit dem die übrigen Töne in ihrer. Höhe oder Tiefe verglichen werden. Dieser Ton kann bey einem einzelnen Instrument willkürlich seyn; wo aber mehr Instrumente zugleich spiehlen sollen, ist nöthig, daß alle nach einem Ton, nämlich gleich gestimmt seyen. Es ist aber bey dem Mangel der vollkommenen Reinigkeit verschiedener Intervalle unsers heutigen Systems1, und bey der verschiedenen mechanischen Einrichtung der Instrumente nicht gleichgültig, welcher Ton zum Stimmton gewählet werde, wenn die Spiehler in allen Tonarten gleich rein zusammen stimmen sollen. Da dieses in einem Orchester von der äußersten Wichtigkeit ist, und so wenig bestimmt worden, daß jeder sein Instrument nach Gutdünken zu stimmen pflegt, und den ersten den besten Stimmton, der ihm bequäm ist, wählet, ohne zu bedenken, daß dieser Ton temperirt, und gegen andere Instrumente zu hoch oder zu tief seyn könne, wodurch denn für jedes feine Gehör oft die übelste Würkung im Ganzen entsteht; so wollen wir hier eine leichte und richtige Methode angeben, nach welcher zuerst die Orgel oder das Clavicembel, gestimmt seyn müsse; und dann die [1112] Stimmtöne anzeigen, nach denen die übrigen Instrumente gestimmt werden müssen.
Ueberhaupt muß die Stimmung, so weit es möglich ist, durch ganz reine consonirende Intervalle geschehen, weil diese am leichtesten gegen einander zu vergleichen sind. Bey den Clavierinstrumenten, wo jeder Ton des Systems gestimmt werden muß, ist eine Temperatur zu wählen, die so beschaffen sey, daß, indem man durch reine consonirende Intervalle fortstimmt, sie jedesmal genau getroffen werden könne. Die Richtigkeit der Temperatur, die auf folgende Art im Stimmen allemal genau getroffen werden kann, ist an einem andern Ort erwiesen2 worden.
Man nimmt nemlich c auf einer richtigen Stimmpfeife zum Stimmton, stimmt die Octave desselben, dann die reine Quinte g; von g die reine Quinte Ä und dessen Unteroctave. Darauf paßt man die reine Terz e in den Dreyklang von c. Von dem erhaltnen e verfährt man vorgeschriebener maaßen bis f, wie in dem ersten Absaz von c bis d. Nach dem erhaltenen f fängt man mit / an, und stimmt durch reine Unterquinten und Octaven bis b Ä. Alsdenn fehlt nur noch das einzige a, welches zwischen d und ē so eingepaßt wird, daß es gegen beyde leidlich klingt, welches sehr leicht bewerkstelliget werden kann. Von c bis f sind nun alle Töne gestimmt; nach diesen werden die übrigen Töne Octaven- oder Quintenweise fortgestimmt. Auf einem nach dieser Temperatur gestimmten Clavierinstrument hat jeder Dreyklang oder jede Tonart ihren besondern Charakter3, der mit dem, den man auf den übrigen Instrumenten so leicht unterscheidet, aufs genaueste übereinstimmt. Diejenigen, die der Violinen wegen die Quinten rein stimmen, erhalten in C dur eine Tonleiter und einen Charakter, der nur dem Cis dur eigen ist, und Cis dur wird umgekehrt zu C dur. Es ist doch bey jeder Stimmung hauptsächlich darauf zu sehen, daß die gebräuchlichen Kirchentonarten vorzüglich rein erhalten werden.
Soll nun ein ganzes Orchester wol zusammenstimmen, so müssen die Violoncellisten das große C, oder die Quinte C-G des Clavicembals oder der Orgel, die nach vorgeschriebene Art gestimmet ist, zum Stimmton nehmen, und danach ihre C-Sayte und die reine Oberquinte stimmen, von da sie mit reinen Quinten aufwärts fortfahren. Die Bratschisten verfahren auf eben diese Weise eine Octave höher. Die Violinisten stimmen die Quinte der Secund- und Terzsayte nach dem g und Ä der Orgel oder des Flügels, und stimmen dann auch aufwärts mit reinen Quinten bis ins fort.
Einige Violinisten haben die üble Gewohnheit, ihre Quint- und Quartsayten nach dem Clavicembal oder Flügel zu stimmen, und alsdenn mit reinen Quinten unterwärts fortzufahren. Ist nun das Violoncell von dem C-G des Flügels aufwärts gestimmt, so ist das g der Violinsayte gegen der Octave des G der Violoncellsayte schon um 1/80 zu tief. Man darf auf einer so gestimmten Violine nur folgende Noten langsam und rein spiehlen:
um zu hören, daß das lezte g gegen das vorhergehende ḡ, als Octave zu tief ist. Zwar wird nach unserer Art zu stimmen, die -Sayte der Violine gegen die C-Sayte des Violoncells, als große Terz um 1/80 höher, als 4/5, und die ā- Sayte als Sexte von C auch um 1/80 höher, als 3/5; aber gute Violinisten lassen diese bloßen Sayten niemals hören, sondern greifen sowol das als das ā allezeit auf der unteren Sayte mit dem kleinen Finger, oder in der Applicatur, und temperiren diese Töne nach Erfoderniß der Tonart schon aus Gefühl. So bald die Violin, oder jedes Geigeninstrument nach reinen Quinten gestimmt ist, muß in folgenden Noten das lezte ā schon in der Applicatur gegriffen werden, weil das bloße zu hoch ist:
Quanz hatte diese Unvollkommenheit der reinen Quintenstimmung auch bewerkt; er schlug daher [1113] vor4, die beyden Quinten und auf der Violine etwas unter sich schwebend zu stimmen; allein dadurch würde die Unvollkommenheit noch vermehrt worden seyn, weil kein Violinist alsdenn auf diesen beyden Sayten eine einzige Quinte hätte rein angeben können. Daher ist, wenn man annimmt, daß die zwey Sayten und im Spielen nicht anders als nur in Geschwindigkeiten, blos angegeben werden, die reine Quintenstimmung von g aufwärts, die vollkommenste Art, die Violinen zu stimmen.
Die Flöten und Hoboen, die im Blasen höher werden, müssen nicht, wie es fast durchgängig geschiehet, mit dem der Violine, welches ohnehin schon um 1/80 zu hoch ist, sondern mit dem der Orgel oder des Flügels gleich gestimmet werden. Die Waldhörner werden allezeit in dem Hauptton des Stüks gestimmet.
Seitdem Roußeau sich so sehr über die Gewohnheit des französischen Orchesters, ganze Stunden lang vor einer Kirchenmusik oder einer Oper zu stimmen und zu präludiren aufgehalten hat, hat diese üble Gewohnheit in Paris nachgelassen; man stimmt izo in der großen Oper daselbst nicht einmal im Orchester, sondern in besonderen Nebenzimmern, und jeder ist in einem Augenblick mit seinem Instrument fertig. Es wäre zu wünschen, daß manche deutsche Capellen diesen Beyspiehl folgen, und einmal einsehen lernen möchten, daß der Zuhörer auf keine unangenehmere Weise, und schlechter zu dem folgenden vorbereitet werde, als durch das ewige Stimmen und Präludiren so vieler Instrumente in einander und durch einander, ohne daß einer vor den andern hören kann, ob sein Instrument gestimmt ist, oder nicht.
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