Vorschlag

[1241] Vorschlag. (Musik)

Ein Ton der in der Melodie zur Verzierung, als eine Stufe von der man auf den eigentlichen Ton, der folgen sollte, kommt, angeschlagen wird. Er ist allezeit die Ober- oder Untersecunde des Tones auf den man gehen will. In der Harmonie kommt der Vorschlag nicht in Betrachtung, denn er dienet blos zu den melodischen Verzierungen. Der Vorschlag hat keine bestimmte Dauer, sondern wird, nach dem der Vortrag dem Charakter des Stüks zufolg es erfodert, bald länger, bald kürzer gemacht. Er wird deswegen auch mit kleinen besondern Noten angedeutet, deren Geltung selten bestimmt wird. z.B.

Vorschlag

Gar viel Vorschläge aber werden von Sängern und Spiehlern ohne Vorschrift des Tonsezers gemacht. Sie haben sich aber dabey in Acht zu nehmen, daß sie nicht zur Unzeit und nicht zu ofte hintereinander kommen. Was hierüber anzumerken ist, findet man in Hrn. Bachs Versuch über die wahre Art das Clavier zu spiehlen, vollkommen gut angezeiget1. Wir merken nur noch an, daß der Vorschlag unausstehlich sey, der von der None zur Octave vom Basse ganz am Ende genommen wird, besonders wenn man ihn, wie öfters von gefühllosen Spiehlern geschieht, stark angiebt, und so lange hält, [1241] daß man den lezten Ton, der eigentlich den Schluß machen und alles in Ruhe sezen soll, kaum mehr vernihmt.

1S. 62. f. f.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1241-1242.
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