Zeiten; Taktzeiten

[1284] Zeiten; Taktzeiten. (Musik)

Sind die Theile, in welche der Takt eines Tonstüks eingetheilt wird. In den einfachen Taktarten, als 2/2, 2/4, 4/4, und 3/2, 3/4, 3/8, zählt man zwey, vier, oder drey Hauptzeiten, oder Taktschläge; in zusammengesezten Taktarten aber muß man außer diesen Hauptschlägen, oder Hauptzeiten, noch die kleinern Zeiten unterscheiden, deren drey oder vier eine Hauptzeit ausmachen. So sind im Sechsviertel- und Sechsachteltakt zwey Hauptzeiten zu unterscheiden, deren jede wieder in drey kleinere Zeiten abgetheilt wird; im 12/4 Takte sind vier Hauptzeiten, deren jede wieder in drey kleinere getheilt wird. Im 9/4 und 9/8 Takt sind drey Hauptzeiten, deren jede drey kleinere begreift.

Die Hauptzeiten sind die, auf deren jede eine besondere Harmonie angeschlagen werden muß, die entweder eben die seyn kann, die schon in der vorhergehenden Zeit gehört worden ist, oder eine neue. Wo durchgehende Töne vorkommen, entstehen noch kleinere Takttheile, die aber nicht mehr für Zeiten gerechnet werden.

Diese Zeiten sind, wie die Sylben der Wörter lang oder kurz; das ist, einige werden durch den Nachdruk des Vortrages schweer, andre durch leichten Vortrag leicht. Man nennt die schweeren Zeiten auch gute, die leichten, schlechte Zeiten. Von der genauen Beobachtung des schweeren und leichten der verschiedenen Taktzeiten hängt der Charakter und Geist der Melodie hauptsächlich ab, wie anderswo ausführlicher gezeiget worden.1 Nichts ist deswegen so wol beym Saz, als beym Vortrag wichtiger, [1284] als daß die Einrichtung oder Beobachtung der verschiedenen Zeitsystemen auf das genaueste überlegt und abgepaßt werde. Wie das schweere und leichte der Zeiten im ersten Takt ist, so muß es durchaus in allen folgenden seyn. Es ist aber eine allgemeine Regel, daß in allen Taktarten, die erste Zeit schweer sey. In den geraden Taktarten wechselt das leichte und schweere meistentheils so ab, daß die erste, dritte, fünfte, und überhaupt die Zeiten, die auf ungerade Zahlen fallen, schweerer sind, als die zweyte, vierte, sechste und alle auf gerade Zahlen fallende Zeiten. Im ungeraden Takt aber hat dieses beständige Umwechseln des schweeren und leichten nicht statt; sondern da ist insgemein die erste Zeit lang, die beyden andern aber sind kurz. Doch können die kurzen Zeiten durch Anbringung sowol wesentlicher als zufälliger Dissonanzen lang gemacht werden. Aber da diese mit mancherley Schwierigkeiten verbundene Materie im Artikel Takt ausführlich behandelt worden, so können wir uns hier darauf berufen.

Die genaue Unterscheidung der guten und schlechten Zeiten, ist nicht blos des Vortrags halber, sondern wegen der schiklichen Anbringung der dissonirenden Töne, nothwendig. Wo zufällige Dissonanzen, oder Vorhalte vorkommen, müssen sie mit ihrer Auflösung allemal zwey Hauptzeiten einnehmen, eine gute für die Dissonanz und eine schlechte für die Auflösung: die blos durchgehenden Noten hingegen nehmen in allen Fällen nur eine halbe Zeit ein. Was hierüber noch zu merken ist, hat Murschhauser am deutlichsten und vollständigsten angezeiget.2

1S. Takt.
2S. dessen hohe Schule der musicalischen Composition S. 35. 83. und 96.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 1284-1285.
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