Brautbrocken

* Die kann auch den Brautbrocken nicht finden.

Von einer alternden Jungfrau. Bezieht sich auf eine Erntesitte in Hessen, wo in der Flachsernte die Mädchen schon frühmorgens singend in das Feld ziehen, den Flachs immer unter Gesang rupfen, binden und einfahren. Das Mittagsessen der Flachsrupfer besteht aus mythologischer Fasttagsspeise Erbsen- (statt dessen hin und wieder Hirse-) Brei, Sauerkraut und Schweinefleisch. Nachmittags wird der Flachs gerefft, d.h. von den Samenkarten befreit, wobei unaufhörlich gesungen wird, weil sonst die Karten taub werden. In einigen Gegenden theilen sich sogar die Mädchen und jungen Burschen, welche raffen helfen, in zwei Parteien und singen Volksgesänge. Als Abendbrot folgt dann für das junge Volk der Raffer »Weckemilch« mit den sogenannten Brautbrocken. In jeder Schüssel befindet sich nämlich unter den kleinen Brocken ein aus einer halben Semmel bestehender grösserer Brocken. Das Mädchen, welches denselben erhascht, wird zuerst Braut. Da indess sämmtliche Mädchen mit den Blechlöffeln nach dem kostbaren Bissen haschen, so entsteht Wettstreit, bei dem nicht selten der ganze Rest der Weckemilch den Hausgöttern geopfert, d.h. verschüttet wird. (Vgl. Deutsche Erntefestgebräuche in Nr. 1260 der Illustrirten Zeitung, Leipzig 1867, S. 127.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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