Hermann

1. Slecht wiägh Hiärmen salle haiten; hüi sal ächter de Kaie (Kühe), sag de Biur, bua (da, als) hei sin Kind wol doaipen lèuten. (Iserlohn.) – Frommann, III, 256, 49.

Vgl. auch über »Hermann« Frommann, V, 351, 8. Schlechtweg »Hermann« soll das Kind getauft werden, er (der Knabe) soll hinter die Kühe. Zum Verständniss der (westfälischen) Sprichwörter und Redensarten, in welchen der Name Hermann vorkommt, ist Kenntniss der Bedeutung desselben erforderlich. In Westfalen bezeichnet Héärmen: 1) allgemein: Ausgezeichnetes, Grosses, daher Keärschels-Héärmen = die grösste Blutwurst. 2) Den Cheruskerfürsten Armin, d.i. Haírmin = den grossen (divum). 3) Den Vornamen Hermann, der entstanden sein kann aus Haírman = Hirmin oder aus Hariman. 4) Den Gott des Himmels nach[533] heidnischer Theologie = Haírmin oder Irmin (s. die westfälische Redensart unter »Herrgott«). Man bezeichnet damit 5) auch Gemeines und Verächtliches. »Zu Karl's des Grossen Zeiten«, sagt Woeste, »war Hirmin's Bild gewiss ein besudeltes, aber statt es zu waschen und den Leuten zu sagen: ›So sieht es vernünftig aus; so ist euer Hirmin kein anderer als der unsere, liebe Herren sind sie beide‹, statt dessen fand man es bequemer, den sächsischen Hirmin in den Koth zu treten und seine Anhänger mit Blutgesetzen zu verfolgen, trotzdem sich doch mit Hirmin Sitten vertrugen, denen gegenüber die Christenheit sich schämen musste«. So ist es begreiflich, wie durch die Thätigkeit beschränkter Priester Hirmin's Name zum Ausdrucke des Gemeinen und Verächtlichen (s. Bummelhermann, womit man auch ein schlechtes Pferd bezeichnet), sogar zur Bezeichnung eines Kothhaufens (Héärmen = excrementum) wurde. Daher auch das obige Sprichwort: Hermann soll der Junge heissen, er soll einen ordinären »gemeinen« Namen haben, er soll hinter die Kühe. Endlich heisst 6) auch der Ziegenbock so. Es ist daher schon vorgekommen, dass Personen, die den Taufnamen Hermann führten, nicht so genannt sein wollten, weil der Bock so heisse. (Vgl. den Artikel von Woeste über: Héärmen, Armin, Hirman und Irmin bei Frommann, V, 351, 8.) In andern Gegenden muss der Name auch als Lockwort gebraucht werden. So heisst es bei Luther (Werke, VIII, 246): »Wenn ein fremder Hirt den Scheflin ruft, pfeifft oder locket: Hermen, Hermen, so läuffts und fleuchet.« Und in der Hauspostille (261d): »Gleich wie ein Hirte seinem Schaffe zuspricht: Hermigen, Hermigen.«


*2. Dei héäd Héärmen wuâl in der Ploage. Frommann, V, 351d.

So ruft man in Westfalen den Ermüdeten und Rastenden zu. Vgl. althochdeutsch hirmjan = ruhen.


*3. Es Héärmen bi di?Frommann, V, 351d.

Frage an Müde und Ruhende.


*4. Hä, du héäs wuàl Héärmen oppen Nacken. Frommann, V, 352d.

Westfälischer Zuruf au den Trägen.


[Zusätze und Ergänzungen]

5. Bist du's, Hermann, mein Rabe?

So sagt der alte Moor in Schiller's Räubern, der Raben gedenkend, die nach 1 Kön. 17, 4-6 dem Elias Nahrung zuführten. (Büchmann, X, 16.)


6. Hermann, schla Lärm an, lat piepen, lat trummen, Jesuiten sind kummen, mit Speeren und Stangen, die Frîheit tau fangen.Junker und Pfaffe, II, 414.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870.
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